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Das Verhör

Das Verhör

Titel: Das Verhör Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Cormier
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Aufmerksamkeit der Vernehmungsabschrift in dem schwarzen Aktenordner zu, konnte wie üblich nicht widerstehen. Vernehmung: Trent. Vernommene Person: Dorrant. Er griff danach, schlug sie auf und dachte dabei: Einmal noch. Die Abschrift ließ sich einfach nicht ignorieren. Sie war wie die Kruste auf einer Wunde, die der Finger immer wieder betastet.
    Er starrte den Text auf der Seite an, ohne den Sinn zu erfassen, so als handelte es sich um Hieroglyphen, die sich nicht entziffern ließen.
    Unwillkürlich musste er an das kleine Büro in Monument denken, an den Jungen und natürlich an Sarah Downes. Und gegen seinen Willen dachte er vor allem an die Szene im Gang des Polizeipräsidiums von Monument, kurz nachdem er das kleine Büro verlassen hatte, mit dem Jungen darin, der stumm und wie betäubt auf dem Stuhl saß, Fassungslosigkeit in den Augen.
    Als Trent den Korridor entlangschaute, hatte er Sarah Downes gesehen, die aus einem Büro am hinteren Ende des Ganges kam. Sie entdeckte ihn sofort und ein eifriges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Er machte die Tür hinter sich zu und ließ den Jungen allein, damit er darüber nachdenken konnte, was er getan hatte. Sarah kam eilig auf ihn zu und er lächelte ihr entgegen. Sie wurde wunderschön, wenn sie ihre kühle Eleganz ablegte.
    Trent wartete, mit der Kassette in der Hand, und kostete den süßen Triumph aus. Ihre Absätze klapperten auf dem alten, verschrammten Holzfußboden. Als sie näher kam, bemerkte sie die Kassette und ließ den Blick darauf verweilen. Trent fragte sich, ob das Büro vielleicht abgehört worden war und sie vom Geständnis des Jungen bereits wusste, von seiner Stimme, die für immer und ewig auf Band festgehalten war.
    Als sie abrupt vor ihm stehen blieb, nahm er in ihrem Fliederduft einen Hauch von Schweiß wahr, was sie jedoch nur umso liebenswerter machte. Sie runzelte die Stirn und bekam einen angespannten Zug um den Unterkiefer, als sie wieder die Kassette betrachtete.
    »Ist es das, was ich vermute?«, fragte sie.
    »Ja«, sagte Trent. »Der Junge hat gestanden. Das ist alles hier auf Band.« Er zügelte seine Aufregung. War selbst überrascht davon, wie aufgeregt er war.
    Er bot ihr die Kassette wie ein Geschenk dar.
    »Das ist nicht möglich«, sagte sie kopfschüttelnd.
    »Aber ja doch.«
    »Sie haben ihm das Geständnis abgepresst.« Keine Frage, sondern eine Feststellung. Mit ausdrucksloser Stimme. Mehr als nur ausdruckslos - tödlich. Eine Anklage.
    Er gab keine Antwort, wusste auf Anhieb, dass irgendwas schief gelaufen war.
    »Der Täter wurde verhaftet«, sagte sie. »Ich wollte gerade zu Ihnen, um Ihnen das zu berichten. Der Bruder des Mädchens. Sein Alibi mit seinen Freunden ist geplatzt. Erst hat ihn der eine Freund in Zusammenhang mit der Tat gebracht, dann auch der andere. Er hat gestanden.«
    Trent sah auf die Kassette in seiner Hand hinunter.
    In diesem Augenblick hörte er hinter sich die Tür zum Büro aufgehen. Drehte sich danach um und Sarah Downes ebenfalls. Sah den Jungen dort stehen, bleich, unterwürfig, einen gehetzten Ausdruck in den Augen, die Haut feucht und fahl. Er wirkte so gebrochen, so kaputt, als hätte man ihn gerade vom Kreuz genommen.
    Das Telefon klingelte und holte Trent in die Wirklichkeit seines eigenen Büros zurück. Er nahm ab und hörte die Stimme von Effie, der Sekretärin.
    »Immer noch keine Antwort, Trent«, sagte sie mit einer Spur von Ungeduld. »Soll ich's weiter versuchen?« Ihr Tonfall verriet, wie ungern sie das tun würde. »Das geht schon seit drei Tagen so und jetzt meldet sich auch ihr Anrufbeantworter nicht mehr. Offenbar wurde er abgestellt.«
    Ob drei Tage oder dreißig - Trent wusste, dass er keine Reaktion erhalten würde. Sarah Downes würde ihn nicht zurückrufen. Und der Senator auch nicht.
    Sein Kiefer begann zu schmerzen, wie ein alter Feind, der sich wieder bemerkbar machte.
    »Vergessen Sie nicht Ihren Termin beim Chef«, sagte Effie, plötzlich mit Mitleid in der Stimme.
    Sie wusste, was ihn bei der Besprechung erwartete: eine Degradierung, zwar nicht im Dienstgrad, aber in allen anderen Bereichen. Vielleicht bekam er die Friedhofsschicht, von Mitternacht bis acht Uhr morgens. Keine besonderen Privilegien mehr, keine Freistellungen zur Durchführung von Verhören. Vermutlich würden ohnehin keine Anfragen für Vernehmungen mehr kommen.
    Die Abschrift lag da und wartete auf ihn, als er den Telefonhörer aufgelegt hatte. Wartete darauf, dass er sie wieder aufschlug.

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