Das verlassene Boot am Strand
Insel hatte einen Kopf und einen Schnabel, der viel weiter reichte als sie den Arm ausstrecken konnte. Sie zeigte auf ihre Augen und beschrieb einen Kreis, um mir zu erklären, daß die Augen des Vogelskeletts auf der Insel so groß waren wie der Stein, auf dem wir saßen.
Wir betrachteten den Riesenvogel, und der Feuerschein warf Schatten darauf und ließ das Skelett lebendig werden; die Schatten verwandelten sich in Federn, jede Feder so schwer, daß sie nicht einmal ein sehr starker Mann heben konnte, und ich sah ein Auge, größer als die Felsplatte. Es hatte die Farbe von Bernstein. Wenn man es ansah, wandte sich das Auge ab, aber wenn man nicht hinschaute, dann spürte man, wie es einen beobachtete.
Ich wandte meinen Blick vom Skelett des Riesenvogels. Ich wollte nicht mehr daran denken, daß er sicher große Tiere gefressen hatte, vielleicht sogar Menschen, als er noch lebendig war und über den Inseln herumflog. Karana und ich saßen eine Stunde oder noch länger schweigend nebeneinander, und alles, was wir einander sagen wollten, blieb in uns eingeschlossen.
Als ich am nächsten Tag zu Mittag wiederkam, saß Karana draußen in der Sonne. Sie sah blaß aus und gab mir mit einer Geste zu verstehen, daß sie sich krank fühlte. »Wo?« fragte ich und zeigte auf alle Stellen, an denen Menschen Schmerzen haben können, und die sind zahlreich.
Karana zeigte auf ihren Magen und tat, als ob sie essen würde. Dann zeigte sie auf ihren Kopf.
Unter den Indianern in der Mission gab es eine alte Kräuterfrau und einen alten Medizinmann, die viele Heilmittel kannten, aber ich konnte Karana nicht dazu bringen, ihre Höhle zu verlassen.
Am Abend brachte ich Karana die letzte Melone vom Feld. Aber Karana rührte sie nicht an. Da wußte ich, daß sie ernstlich krank war.
Ich ging zurück zur Mission und sprach mit dem alten Medizinmann. Er konnte kaum noch gehen, aber er schleppte sich gleich am nächsten Morgen mühsam zur Höhle. Karana saß vor einem kleinen Feuer auf der Felsplatte, Rontu-Aru neben sich.
Der Medizinmann stellte ihr Fragen. Karana schwieg, und ich mußte ihn daran erinnern, daß sie unseren Dialekt nicht verstand, und Spanisch auch nicht. Er schüttelte den Kopf, zog einen Lederbeutel aus den Falten seines Gewandes und legte verschiedene Dinge auf den flachen Stein: eine Adlerfeder, eine schwarze Muschel, wie ich sie noch nie gesehen hatte, einen langen Bärenzahn, das Rückgrat eines Fisches... alle möglichen Dinge. Dann betete er in Spanisch zu Mukat, Koyote und Zando.
Es war ein langes Gebet, und ich sah, daß Karana ihm nicht zuhörte. Aus der Ferne waren das Rauschen der Brandung und Möwenschreie zu hören, und ich glaube, Karana lauschte auf diese Laute.
Dann holte der Medizinmann eine Flöte hervor und spielte eine Melodie, die so schrill war, daß ich sie kaum ertragen konnte. Rontu-Aru spitzte die Ohren und legte den Kopf auf die Seite. Noch jemand reagierte auf die Flöte.
Während der alte Mann spielte, starrte er auf eine Stelle über meinem Kopf. Sein Blick war so eindringlich, daß ich mich nach einer Weile umdrehte, um zu sehen, was er da fixierte. Neben dem Skelett des Riesenvogels, ungefähr da, wo sein Schnabel hätte sein können, war ein Loch in der Felswand. Und aus dem Loch schaute ein Schlangenkopf. Er hatte große smaragdfarbene Augen, breite Kiefern und eine lange, gespaltene Zunge, die sich langsam hin und her bewegte. Das mußte die Schlange sein, von der es so viele unheimliche Geschichten gab.
»Serpiente «, sagte Karana. Es war eines der wenigen spanischen Worte, die sie gelernt hatte.
Wahrscheinlich hatte sie auch diese Schlange irgendwo verletzt auf gefunden und mit in die Höhle genommen. Karana sprach das Wort ohne Furcht aus. Sie sagte es eher voll Mitleid; Mitleid mit einem Geschöpf, das vom Schicksal dazu verurteilt war, sein Leben lang von allen verabscheut zu werden.
Endlich setzte der alte Mann die Flöte ab. Er sagte: »Zando hat mein Gebet erhört. Er verspricht, seine Macht zu zeigen. Er sagt, alles wird gut. Er wird mit Mukat und mit Koyote sprechen, wenn er von seiner Reise zurückgekehrt ist.«
Ich führte den alten Mann zur Mission zurück, ging in die Kapelle und betete zur Heiligen Jungfrau, aber ich mußte dabei immer an die Schlange mit den Smaragdaugen denken, die aus ihrem Loch gekommen war, als der alte Medizinmann Flöte spielte.
Am nächsten Tag ging es Karana besser, und sie hatte auf der Felsplatte ein kräftiges Feuer
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