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Das verlassene Boot am Strand

Das verlassene Boot am Strand

Titel: Das verlassene Boot am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott O'Dell
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den Fisch mit, den Mando gefangen hatte.
    Wir kletterten auf die Klippen. Im Südwesten konnten wir den Umriß der Insel der blauen Delphine erkennen. Sie kam uns nahe vor, aber mir fiel auf, daß die Gewässer zwischen Santa Cruz und der Delphinen-Insel unruhiger waren. Am Horizont gab es Buckel, die wie Hügel ausschauten und in Wirklichkeit hohe Wellen waren.
    Ich legte den Kompaß auf einen Fels, drehte ihn, bis die Nadel auf das N zeigte, und las den Kurs ab, auf dem die Insel lag, wie Kapitän Nidever es mir erklärt hatte.
    Wir kletterten wieder an den Strand hinunter und sammelten Äste und Gestrüpp und zündeten ein Feuer an. Auf dem Gestein am Ufer gab es Muscheln, und wir klaubten sie herunter und kochten sie in einem Topf, den ich mitgenommen hatte. Wir aßen auch den Fisch. Es war eine gute Mahlzeit. Unsere Decken waren nicht dick genug, um uns warm zu halten. Es war kalt, und meine Hände schmerzten. Ich war froh, als die Sonne weit hinter der Fahrrinne zwischen Santa Cruz und Santa Rosa aufging.
    Mando schien eine Ewigkeit zu brauchen, um seine Angelleine fertig zu machen. Er befestigte den größten Haken an einer dünnen Kette und die Kette an Tauen und Stricken, die er im Lauf des letzten Monats irgendwo gefunden und in einem Weinfaß aufgewickelt hatte. Jedes Stück Tau hatte eine andere Länge und Dicke, aber sie waren alle sehr stark.
    »Ich werd' einen pezespada fangen, der so lang ist wie das Boot«, sagte Mando, während wir uns aus dem Seetang herausarbeiteten und Kurs auf die Insel nahmen. Ich ließ den Kompaß auf meinem Schoß liegen und warf beim Rudern hin und wieder einen Blick darauf, um sicherzugehen, daß wir den Kurs hielten, denn wir konnten die Insel der blauen Delphine nicht mehr sehen.
    Eine leichte Brise war aufgekommen, doch die Wellen waren noch nicht hoch. Delphine kamen und spielten um unser Boot, sie flitzten vor dem Bug hin und her. Wir sahen fünf Wale, die südwärts zogen und ihre Wasserschleierfontänen in die Luft sprühten. Zwei Fliegende Fische fielen ins Boot. Mando steckte einen als Köder an seinen größten Angelhaken und ließ ein Stück Leine aus dem Faß abspulen.
    »Ich werd' einen pezespada fangen, der so lang ist wie das Boot«, wiederholte er.
    »Was willst du mit einem so großen Fisch?«
    »Ich werde ihn ins Schlepptau nehmen und ihn in Santa Barbara vorzeigen. «
    »Du vergißt, daß wir zur Delphinen-Insel wollen. Wir sind nicht aufs Meer gefahren, um espadas zu fangen«, erinnerte ich Mando.
    Mir wurde klar, daß er unsere Reise nur als gute Gelegenheit zum Fischen betrachtete.
    Mando hörte einen Augenblick zu rudern auf, hob die Harpune und schwang sie wie ein Schwert über seinem Kopf. Weit hinter uns entdeckte ich eine Schwanzflosse. Sie war groß und glänzend und blitzte in der Morgensonne. Sie glitt langsam hinter uns her, wie ein Messer, das das Wasser glatt durchschnitt. Dann versank sie langsam, und ich dachte nicht mehr daran.
    Mando legte die Harpune griffbereit neben sich.
    Die Sonne war warm, und ein leichter Wind kam auf, der guttat. Meine Hände schmerzten, und ich versuchte immer wieder, das Ruder anders zu halten. Auch Mando hatte Schwierigkeiten, und so kamen wir nur sehr langsam voran. Ich behielt den Kompaß im Auge und achtete darauf, daß die Nadel immer genau auf N stand.
    Mandos nackter Fuß stand auf der Leine, die aus dem Weinfaß heraushing. Plötzlich setzte sich die Leine in Bewegung, Mando zog den Fuß zurück und packte sie mit den Händen.
    »Ich glaube...«, begann er und brach plötzlich ab. Die Leine glitt durch seine Hände. »Ich glaube, ich habe etwas. Vielleicht ist es Señor Espada.«
    »Ich habe vorhin eine Schwanzflosse gesehen«, bemerkte ich.
    »Wo?«
    »Hinter uns.«
    »Warum hast du nichts gesagt?«
    »Weil sie wieder verschwand, bevor ich etwas sagen konnte.«
    »Das ist kein Grund.«
    »Wir sind nicht unterwegs, um espadas zu fangen. Und das ist sehr wohl ein Grund. «
    Noch während ich sprach, flog Mando vornüber; er klammerte sich an die Leine.
    »Laß los! « schrie ich.
    Die Leine flog ihm aus den Händen. Er wäre fast aus dem Boot gerissen worden.
    »Espada!« keuchte er.
    Das Faß, in dem die aufgespulte Leine lag, begann auf und ab zu hüpfen. Dann fiel es um. Ich hielt es mit beiden Händen fest, und Mando schlang beide Arme um mich. Die Leine schoß mit einem zischenden Geräusch heraus.
    »Wieviel ist noch übrig?« fragte Mando.
    Mein Gesicht war dicht vor der Faßöffnung, und ich

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