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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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„sind wir uns schon begegnet?“
    Es war ihr Boss, Lou Kopp. Fröstelnd drückte sie sich tiefer in den Sitz und legte eine Hand ans Gesicht. Von der Bar kamen Anfeuerungsrufe: „Nur zu, Lou!“
    Sie fühlte sich wie ein Tier in der Falle. Jahre der Demütigung hatten sie jedoch gelehrt, nie Angst zu zeigen. Sie atmete tief durch und drehte ihm langsam das Gesicht zu. Ihr Haar fiel zurück. Lou Kopps Miene verriet Verwirrung, dann Fassungslosigkeit, und sein Lächeln erstarb.
    „Was zum Teufel …“
    Sie fühlte sich wie geohrfeigt. „Ich heiße Charlotte Godowski“, sagte sie scheinbar ungerührt. „Sie erinnern sich vielleicht an mich. Ich bin Buchhalterin in Ihrer Firma.“
    Dröhnendes Gelächter von der Bar. „Mann, heute ist deine Glücksnacht! He, wir haben Weihnachten und nicht Halloween!“
    Nach jeder Gemeinheit erklang wieder lautes, verletzendes Gelächter. Charlottes Verteidigung bestand darin, das ebenso zu ignorieren wie die mitfühlenden Kommentare der Frauen in Hörweite. Doch im Innern war sie tief gekränkt.
    Als sie Lou Kopp an die Bar zurücktorkeln sah, wo er mit aufmunterndem Rückenklopfen empfangen wurde, wusste sie, dass dieser Abend so verlaufen würde wie viele andere. Die bösen Jungs hatten endlich ein Opfer, an dem sie ihre Frustrationen auslassen konnten, weil sie bei den hübschen Frauen nicht ankamen.
    Charlotte stand auf und drängte sich an den Betrunkenen vorbei. Die stießen sich kichernd an. Judy Riker eilte ihr an der Tür entgegen.
    „Charlotte, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wenn wir vielleicht …“
    „Bitte.“ Sie hob die Hand, um Judys Gestammel zu unterbinden. „Frohe Weihnachten, Judy. Gute Nacht.“
    Zu einem Lächeln konnte sie sich nicht durchringen. Sie nahm rasch ihren Mantel, bedeckte damit das verhasste rote Kleid und drückte den Fahrstuhlknopf. Die Glocke ertönte prompt, und sie betrat die Kabine. Nachdem sie den Knopf für das Erdgeschoss betätigt hatte, schloss sie die Augen, erleichtert, allein zu sein. Die Türen wollten sich gerade schließen, als sich noch ein Mann hineindrängte. Die Türen prallten gegen seine Schultern und sprangen wieder auf.
    Sie öffnete die Augen und sah Lou Kopp.
    „Wollen Sie in die Garage?“ fragte er und drückte den G-Knopf.
    Sie schwieg. Ihr Herz pochte wild, und sie atmete rascher. Jetzt saß sie wirklich in der Falle und begann ein stilles Gebet.
    „Hören Sie, was da eben passiert ist …“
    Sie betete weiter.
    „Es tut mir Leid.“
    Sie hielt im Gebet inne. Hatte er sich wirklich entschuldigt?
    „Was wir da eben abgezogen haben, war schrecklich. Ein paar von den Jungs waren betrunken. Nicht dass das eine Entschuldigung wäre“, räumte er schnell ein. „Als ihr Chef übernehme ich die volle Verantwortung. Bitte, Miss Goz… Nehmen Sie meine Entschuldigung an.“
    Charlotte versuchte seine Miene zu deuten. Lou Kopp war kein gut aussehender Mann. Glatt war das Wort, das ihn am ehesten beschrieb. Seine Augen sprachen jedoch für ihn, himmelblau und strahlend, wenn er lächelte wie jetzt. Du bist die Letzte, die jemand nach dem Äußeren beurteilen sollte, schalt sie sich und akzeptierte seine Entschuldigung mit einem Nicken.
    „Wie kann ich es wieder gutmachen?“
    „Sie haben sich entschuldigt“, erwiderte sie und blickte geradeaus. „Das genügt.“
    „Nein, tut es nicht. Darf ich Sie zu einem Drink einladen?“
    „Nein, danke.“
    „Wie kommen Sie nach Haus?“
    „Ich nehme ein Taxi. Es ist nicht weit.“ Sie hatte vor, die Bahn zu nehmen.
    „Sie werden nie ein Taxi bekommen. Es ist Weihnachten, ein Freitagabend. Ausgeschlossen. He, ich sag Ihnen was. Ich fahre Sie heim. Was halten Sie davon? Es ist das Wenigste, was ich tun kann.“
    „Das ist nicht nötig“, wehrte sie ab.
    „Natürlich ist es das. Ich fahre Sie heim. Es ist keine große Sache. Außerdem bin ich Ihr Chef. Ich sollte mich um meine Angestellten kümmern.“
    Sie hatte keine Zeit zu antworten. Im vierten Stock öffneten sich die Fahrstuhltüren, und ein großer Mann in einem konservativen blauen Wollmantel trat ein. Die Kabine schien zu schrumpfen. Sie musterte den Fremden verstohlen und fasziniert.
    Er hatte einen wunderbar gebräunten Teint, hohe Wangenknochen und eine Maya-Nase, die ihm etwas Strenges verlieh. Das dichte schwarze Haar war relativ lang und berührte den weißen Hemdkragen. Das Fesselndste an ihm war jedoch diese Aura des Gentleman, die augenblicklich beruhigend auf Frauen wirkt, weil sie wissen,

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