Das verletzte Gesicht
die versöhnliche Tour. „Du würdest alles verlieren.“
„Eher beende ich den Film und kassiere die Versicherungssumme, als dass ich das noch zwei Monate so mitmache. Sie treibt das Projekt in den Ruin.“
Freddy kaute an seiner Zigarre und versagte sich einen Kommentar. LaMonica gehörte zu einer neuen Sorte von Hollywoodproduzenten, die es sich zur Ehre anrechneten, die Produktionskosten niedrig zu halten. Damit hatte er sich einen guten Ruf erworben, und er reagierte geradezu paranoid, wenn die Kosten in die Höhe schnellten. Zweifellos schossen sie für
Thunder Bay
geradezu in den Himmel. Seine Gedanken rasten. Er hatte von Charlottes Problemen am Drehort gehört. Aber sie war ein absoluter Profi. Er hätte sich nie träumen lassen, dass es so schlimm werden würde. Er lehnte sich zurück und nahm eine entspanntere Haltung ein.
„Bei allem Respekt, John, du kannst nicht alles Charlotte anlasten. Jeder weiß, die Computeranimationen kosten schon Millionen.“
„He, das ist eingeplant. Dafür gibt es ein festes Budget. Aber mit den emotionalen Schwankungen deines Stars werde ich nicht fertig.“ Mit finsterer Miene fügte er leise hinzu: „Was ist es? Drogen?“
„Nein, nichts in der Art. Ehrlich, John, ich weiß nicht genau, was los ist. Aber es ist körperlich bedingt. Sie ist krank, und es wird schlimmer. Wir haben schon eine Reihe von Ärzten aufgesucht, doch keiner erkennt das Problem. Sobald der Film abgedreht ist, suchen wir Spezialisten auf. Ich bringe sie in ein Krankenhaus, damit sie richtig durchgecheckt wird.“ Da LaMonica die Brauen hochzog, fügte er hinzu: „Ich meine nicht die Betty Ford Klinik. Sie ist nicht süchtig. Es ist etwas anderes, Arthritis vielleicht.“
LaMonica faltete die Hände auf der Tischplatte und betrachtete sie einen Moment voller Sorge. Freddy merkte, wie ihm der Schweiß den Rücken hinabrann, blieb äußerlich jedoch ruhig. La-Monica kaufte ihm die Arthritis nicht ab, brauchte er auch nicht. Vermutlich befürchtete er Aids oder ähnlich Schlimmes. Die Frage war nur, tat er so, als würde er es glauben. Als er sich räusperte, richtete Freddy sich respektvoll auf.
„Kannst du sie lange genug stabil halten, damit wir den Drehplan beenden?“
„Ich gebe dir mein Wort.“
LaMonica dachte darüber nach und ließ Freddy bewusst zappeln.
Freddy war Charlottes Zustand ein Rätsel. Zum Teil litt sie zweifellos unter einer Depression. Er kannte die Symptome noch aus seiner Zeit mit Ali. Wenn Charlotte sich allerdings nicht schnell zusammenriss, wurde sie aus dem Vertrag entlassen. In diesem Geschäft kam das einem Selbstmord gleich. In ihrem Fall sogar einem doppelten. Er musste schnell etwas unternehmen.
„Ich verlasse mich auf dein Wort, Freddy.“ LaMonica deutete mit dem Finger auf ihn und ließ keinen Zweifel, wen er verantwortlich machte, falls es schief ging.
„Mein Wort ist heilig. Halte nur bitte die Presse fern, John. Seit Charlotte nominiert wurde, gieren die Medien nach jeder Information über sie.“
„Vielleicht sollte sie gelegentlich mit der Presse reden, anstatt Gerüchten Nahrung zu geben …“
„Wir wissen beide, das ist nicht der richtige Zeitpunkt.“
LaMonica nickte und paffte gedankenverloren an seiner Zigarre.
„Riegel den Drehort ab.“ Freddy schlug mit der Faust auf den Tisch.
„Ist schon geschehen.“
„Dann erklär mir, wie Vicki Ray an die Information kam, Charlotte sei wie eine Betrunkene umhergewankt? Diese Frau verfolgt Charlotte geradezu.“
„Vicki Ray hat überall ihre Quellen. Und Tatsache ist nun mal, dass Charlotte herumwankte und ihren Text vergaß. Als wir ihr einen Teleprompter hinstellen wollten, wurde sie giftig, plusterte sich auf und erklärte arrogant, sie brauche keine Textvorlagen, ihr Gedächtnis sei ausgezeichnet. Genau das hatte ich auch von ihr gehört, aber bei unserer Arbeit stimmte es einfach nicht. Und wenn sie sprach, war sie kaum zu verstehen!“
Freddy beschwichtigte: „Okay, ich fahre hin und sehe, was ich machen kann.“ Er drückte seine Zigarre aus und stand auf. Er musste hier raus, ehe die Feindseligkeiten eskalierten.
„Freddy!“ LaMonica winkte ihn nah heran und sagte vertraulich: „Wir wissen beide, dass die Arbeit an dem Film hart ist, auch für eine Schauspielerin in Topform. Es gibt eine Reihe von körperlich anstrengenden Action-Szenen. Man braucht viel Energie.“ Er machte eine Pause und studierte seine Finger. Dann blickte er auf und sagte entschieden: „Geh und
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