Das verletzte Gesicht
meinem Doktor, und der wird die Sache regeln. Glaub mir, der Mann ist ein Genie. Hör auf mich, Charlotte.“
Im Augenblick hatte sie seiner Überredungskunst nichts entgegenzusetzen. Sie hatte Freddys Manipulationsversuche lange geduldet, weil sie dasselbe Ziel verfolgten. Um es zu erreichen, war es einfacher gewesen, sich seiner Erfahrung zu beugen. Nur in Bezug auf Michael hatte sie ihm getrotzt, aber das war vielleicht ein Fehler gewesen.
Sie hatte Gott, ihrer Mutter und Freddy getrotzt, und alle zeigten es ihr. Ihr Kampfgeist war erlahmt. Sie war nicht zornig oder depressiv, nur unendlich müde.
„Was soll ich tun?“ fragte sie leise.
Er neigte den Kopf zur Seite und sah sie mit leuchtenden Augen an. „Heirate mich.“
Sie japste ungläubig. „Dich heiraten?“
„Ja, es ist die einzige Möglichkeit, wie ich dich beschützen und zugleich angemessen für dich sorgen kann.“
„Aber … ich liebe dich nicht.“
Er drückte sich mit zwei Fingern auf den Nasenrücken, schloss die Augen und seufzte ungeduldig. „Das macht nichts.“
„Das macht nichts?“ wiederholte sie verzweifelt.
„Nein.“
An seinem Kiefer zuckte ein Muskel. Offenbar verbarg Freddy tiefergehende Gefühle, die sie nur ahnen konnte. Über sein Privatleben wusste sie so gut wie nichts.
„Es macht nichts“, fuhr er gleichmütig fort, „weil die Ehe nur auf dem Papier bestehen wird. Wir müssen nicht wirklich heiraten, wenn du das nicht möchtest. Wie ich das sehe, müssen wir gleich nach der Oscar-Verleihung nach Südamerika, um den Eingriff machen zu lassen. Naturgemäß ist das auch genau die Zeit, wo die Presse dir auf den Fersen sein wird. Wir können Hochzeit und Flitterwochen als Vorwand nutzen, uns nach Brasilien abzusetzen und auszuruhen. Überlass die Details mir. Wenn du zurückkommst, arbeitest du an
Tess
, und dann beenden wir die Vertragsverhandlungen für
Die Schöne und das Biest
. Weitere Filme sind in Vorbereitung. Bis dahin kümmert es niemand mehr, ob wir wirklich verheiratet sind oder nicht.“
„Dann sagen wir also nur, dass wir heiraten wollen …“
„Ich …“ Er atmete aus und spreizte die Finger auf dem Tisch. „Wenn dir das lieber ist.“
„Ist es.“
Sein Gesicht rötete sich, doch er sagte nur achselzuckend: „Wir brauchen kein Stück Papier, das uns bindet. Du und ich, wir sind ein Team. Wir sind wie Yin und Yang, zwei Hälften eines Ganzen.“
Charlotte schlang die Arme fest um sich und studierte ihn aufmerksam. Er war aufrichtig. Er hatte stärkere Gefühle für sie, als sie geglaubt hatte. „Du liebst mich.“
Er seufzte ungeduldig. „Natürlich liebe ich dich, Süße. Auf meine Art. Du warst immer etwas Besonderes für mich, schon am ersten Tag, als du so spröde in diesem grässlichen Kostüm in mein Büro kamst. Ich kann es nicht erklären, ich empfinde es auch jetzt.“ Er streckte die Hand aus, als wolle er sie streicheln wie ein Kind.
Charlotte wich zurück und wandte den Blick ab. Sie wollte von ihm weder berührt noch gestreichelt werden. Es widerstrebte ihr.
Freddy zog sich zurück, blieb jedoch bemüht, ihr seinen Standpunkt zu verdeutlichen. „Ich möchte dein Beschützer sein. Ich habe dich geschaffen. Ich habe dich der Welt geschenkt. Verstehst du nicht? Ich …“ Er schloss die Hände, als nehme er ihr Herz und presse es an seine Brust. „Du gehörst mir.“
Charlotte starrte ihn fassungslos an. Er meinte das ernst, er bildete sich ein, sie gehöre ihm. Das machte ihr ein wenig Angst, vermittelte ihr aber zugleich ein Gefühl von Sicherheit, wofür sie sich hasste. Den meisten Menschen war sie schlichtweg egal. Zwar gaben sie sich mitfühlend, interessierten sich in Wahrheit aber nur dafür, ob ein Film rechtzeitig fertig wurde, der ihnen Geld einbrachte. Oder schlimmer noch, sie gaben vor, sie zu lieben, und ließen sie bei den ersten Schwierigkeiten fallen.
Er liebte sie auf seine Art? Was meinte er damit? Sie sah auf die zugezogenen Vorhänge, die die Nachmittagssonne fern hielten. Vielleicht hatte Freddy Recht? Was machte es schon, auf dem Papier zu heiraten? Was war Liebe schon anderes als eine gute Chance, verletzt und gedemütigt zu werden, sich gar das Herz brechen zu lassen? Freddys Vorschlag schien eine praktikable Alternative zu Lust und Leidenschaft zu sein.
Das war Freddy, er machte das Unmögliche möglich. Vielleicht fand er ja tatsächlich einen Ausweg aus ihrem Dilemma, denn sie war mit ihrem Latein am Ende.
„Kannst du den Film zu Ende
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