Das verletzte Gesicht
sofort aufgehört mit Spanisch und war seiner Aufforderung gefolgt. „Wenn die Nonnen es sagen …“
Sein Vater hatte für ihn typisch reagiert. Er war zornig explodiert und hatte Michael auf sein Zimmer geschickt, wo er sowieso lieber war. Das war der Beginn der Loslösung von seiner Familie gewesen. Der erste Schritt zu immer größerer Distanz.
Heute Abend lag jedoch keine Kritik in Luis Mondragons Blick. Er strahlte seinen jüngsten Sohn geradezu an.
„Rosa“, rief er seiner Tochter zu, „kümmere dich um deine Kinder. Ich möchte einen Moment allein mit Miguel reden.“ Damit führte er ihn in die große Wohnküche. Er schloss die Tür und seufzte theatralisch. „Wenn ich könnte zügeln die Energie von den Kindern, ich könnte leben ewig. Aber so …“ Er zog die Schultern hoch und streckte hilflos die Hände vor, „begnüge ich mich mit einem kleinen Glas Bier.“
„Ah, Mama“, sagte Michael, nahm ihr die Flasche ab und schnupperte in die Luft. Der vertraute Geruch mexikanischer Gerichte mischte sich mit Kinderlachen und Gesprächsfetzen auf Spanisch. Das wirkte beruhigend. Er war zu Hause, und es machte nichts, dass er seiner Familie nur wenig zu sagen hatte. „Das riecht himmlisch.“
Marta schwieg, errötete jedoch erfreut und beugte sich wieder über die großen Töpfe auf dem Herd. Michael und sein Vater lehnten sich gegen den Holztresen, jeder eine Flasche in der Hand, und begannen die befangene Unterhaltung, die jeder langen Trennung folgte.
„Also“, sagte Luis, und es klang eher wie ein Räuspern, „wie geht es dir?“
„Gut … gut“, versicherte Michael langsam und hoffte, es klang nicht zögerlich. Er trank von seinem Bier und bekräftigte: „Wirklich gut.“
„Was machst du in Chicago?“
Er zuckte die Achseln. „Dasselbe wie immer. Bürgermeister Daley möchte, dass wir mehr Bäume pflanzen, also wenn wir mit einem Bau fertig sind, pflanzen wir mehr Bäume.“ Vater und Sohn sahen sich an und lachten.
„Freut mich zu hören, dass du immer noch etwas pflanzt.“
Sie bemühten sich sehr, das Gespräch freundlich, unverfänglich zu halten, und die gelegentlichen Scherze, die Marta beim Umrühren einwarf, halfen. Michael spürte jedoch deutlich, dass sein Vater etwas Spezielles auf dem Herzen hatte, sich aber zurückhielt, um nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Luis Mondragon war ein großer, breitschultriger Mann mit einer entsprechenden Stimme. Sein Versuch, sich in belangloser Plauderei zu üben, wirkte sehr unbeholfen. Michael beschloss, es ihm leichter zu machen. „Die Baumschule sieht mitgenommen aus“, kam er auf den Punkt.
Luis war überrascht und dann erleichtert. Er senkte den mächtigen Kopf zwei Mal. „Ja, ja, genau!“ bekräftigte er mit seiner lauten Stimme und streckte zustimmend die Arme aus. „Die Dürre im letzten Jahr, eijei! Wir haben viel verloren … und was ist übrig …“, er hob die Hände zum Himmel, „kann kaum überleben. Verflixte Dürre. Rasen versengt wie Hölle. Leute rufen an und sagen, nicht schneiden. Wenn wir nicht schneiden, sie nicht zahlen. Kümmert sie das? Nein! Sie nur sagen, nicht schneiden.“ Er schüttelte den Kopf. „So viel ist vertrocknet.“
„Ich hörte, wie schlimm es war. Tut mir Leid, dass es euch so hart getroffen hat.“
Luis zuckte die Achseln. „Wille von Gott,
no
?“
„Vielleicht.“ Michael trank von seinem Bier und vermied eine religiöse Debatte. Im Haus der Mondragons waren alle Winkelzüge des Schicksals Teil des göttlichen Plans, die man zu erdulden hatte. „Wie macht sich Manuel?“ Michael kannte seinen Schwager nicht besonders gut. Aber der Mann musste ein Heiliger sein, wenn er mit seiner aufbrausenden Schwester Rosa leben konnte.
Sein Vater hob gleichgültig die Schultern. „Ist okay, wenn er schneidet Rasen. Die Männer, sie mögen ihn, aber …“ Luis rieb sich das Kinn. „Es ist nicht nur die Dürre. Er kann nicht entwerfen Skizzen für Gartenplan, wie Leute heute wollen. Sie wollen Besonderes, weißt du. Und wenn du kannst zeichnen die Skizzen, du verkaufst auch Pflanzen. Manchmal wir machen Entwürfe umsonst, damit wir bekommen Auftrag.“
„Ich weiß, was du meinst, Papa. Das ist heute üblich. Warum hast du nicht jemand angestellt? Einen Gartenarchitekten oder so?“
„Warum ich sollte anstellen jemand, wenn mein Sohn kann besser machen als jemand sonst?“
Michael seufzte tief. „Vielleicht weil ich Architekt in Chicago bin, Papa. Ich baue Wolkenkratzer.
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