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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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diese Idealfigur verantwortlich gemacht. Da stimmte alles: Proportionen, Symmetrie, Hautstruktur und Tönung. Sogar ihre Haut war perfekt wie polierter Alabaster.
    Doch vor allem eine fast überirdische Ausstrahlung hob sie von gewöhnlichen Sterblichen ab. Und ihre Augen faszinierten ihn geradezu. Hinter dem Schleier der Schüchternheit verhießen sie ein Geheimnis.
    Mit neuer Energie wandte er sich wieder seinen Entwürfen zu. Es juckte ihn in den Fingern zu arbeiten. Technisch gesehen wusste er genau, was zu tun war. Er hatte jedoch den Punkt erreicht, wo die Arbeit des Chirurgen endete und die des Künstlers begann. Diese Linie zu überschreiten machte aus seiner Arbeit Kunst, wohingegen das Werk vieler Kollegen Handwerk blieb. Die Vorstellung vom besessenen Künstler, der an seinem Meisterwerk arbeitete, amüsierte ihn.
    Ein Meisterwerk würde es wahrlich werden. Charlotte Godowski wollte schön sein, und er wollte sie schöner machen, als sie es selbst für möglich hielt.
    Charlottes Besuch bei Mr. McNally eine Woche später war kurz und geschäftsmäßig. Während sie ihrem ehemaligen Arbeitgeber kühl mitteilte, warum sie ihre Stellung aufgab, sah sie McNallys sonst rosiges Gesicht blass werden. Als sie die schmutzigen Details berichtete, wurden seine Lippen schmal, und in seinem Blick lag stille Wut. Am Ende der Besprechung rief er nicht Lou Kopp herein, wie sie befürchtet hatte, sondern versicherte ihr, dass er ihr weitere Peinlichkeiten ersparen werde, und erkundigte sich, ob sie mit einem Taxi heimgefahren werden wolle.
    Sobald Charlotte gegangen war, eilte McNally ans Telefon und rief seinen Anwalt an.
    „George, Lou Kopp hat es wieder getan. Ich hatte hier eine Angestellte im Büro. Sie drohte, uns wegen sexueller Belästigung zu verklagen.“
    Am anderen Ende der Leitung ein Seufzer des Entsetzens. „Was hat er diesmal gemacht?“
    McNally wiederholte kurz den Vorgang, einschließlich der Drohung, ihr den Job zu kündigen.
    „Ich glaube, wir regeln das am besten schnell“, riet der Anwalt finster. „Sie könnte immer noch vor Gericht gehen.“
    Später hörte Charlotte erfreut, dass die angebotene Summe ausreichte, die Kosten der Operation zu begleichen. Ihr Anwalt hatte eine höhere Entschädigung verlangt, doch sie war nicht gierig. Sie war so froh über den angebotenen Betrag, dass sie sich beherrschen musste, Mr. McNally nicht auch noch zu danken.
    „Ich möchte eine Zusicherung von Ihnen“, sagte sie, als sie sich die Hände gaben.
    McNally zog fragend die Brauen hoch.
    „Sichern Sie mir zu, dass Mr. Kopp so etwas nie mehr macht. Er hat die Frauen in dem Büro seit Jahren belästigt.“
    „Ich denke, dafür können wir sorgen.“
    Das genügte ihr. Sie war nicht auf Blut aus. Allerdings musste sie schmunzeln, als sie einige Monate später erfuhr, Mr. Kopp habe die Firma aus „persönlichen Gründen“ verlassen.

4. KAPITEL
    M ichael Mondragon lenkte sein gemietetes Mustang Kabrio am Weihnachtsabend auf die Interstate 5, legte den Arm über die Lehne des Beifahrersitzes und pfiff die Weihnachtslieder aus dem Radio mit. Er musste zugeben, dass das Fest am schönsten bei der Familie war. Er würde rechtzeitig zu Mamas Weihnachtsessen zu Hause sein.
    Als er vorbei an den grauen Tentakeln von Los Angeles in die grünen Hügel hinauffuhr, spürte er die Anspannung der langen Reise von sich abfallen. Chicago schien endlos weit entfernt zu sein. Nach einer Stunde bog er von der Haupt- in eine kleine Seitenstraße ab. Leute mit Geld und Verstand hielten sich an die Hauptstraßen, die zu schicken Erholungsgebieten und tollen Campingplätzen führten. Nur die Abenteuerlustigen wanden sich über schmale Nebenstrecken, durch kleine Ortschaften, vorbei an Farmen und durch Wälder mit Föhren, Zedern und Pinien. Er kannte die Namen aller Bäume und Büsche, das war schließlich Familientradition.
    In Serpentinen führte die Straße hinab in das üppige Grün des vertrauten Tales, das er sein Zuhause nannte. Es hatte kürzlich geregnet. Die Straße war glatt, und dunkles Geröll verlieh einem ganzen Berghang einen bläulichen Schimmer. Der Wind, der sein Gesicht peitschte, roch nach Regen und feuchter Erde. Auf derselben Straße war er vor Jahren mit dem Lieferwagen der Mondragon-Baumschule zu den Gärten in den Vororten der Städte gefahren.
    Erinnerungen kamen ihm auf den vertrauten Wegen seiner Jugend. An einem bevorzugten Aussichtspunkt hielt er an und schaltete den Motor aus. Die Abenddämmerung

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