Das verletzte Gesicht
inbrünstig bete, Reue zeige und Besserung gelobe. In den folgenden zwei Monaten fand sie innere Ruhe, die mit dem Baby wuchs.
Eines Tages besuchte Pater Oziemblowski aus ihrem Dorf sie. „Gute Nachrichten!“ erklärte er. Er habe eine Familie gefunden, die ihr Baby adoptieren wolle. Nach der Geburt könne sie diskret in ihr Dorf zurückkehren, und über die unglückselige Affäre werde kein Wort mehr verloren. „Du musst in dieser Sache unserem Rat folgen“, drängte der Pater. „Wenn nicht zu deinem, dann zum Wohle deines Kindes.“
Helena lauschte kleinlaut mit großen Augen, doch im Herzen rebellierte sie: Fridrychs Kind weggeben! Ausgeschlossen! Ihr Kind war kein Bastard! Wenn Fridrych hier wäre, würden sie vor Gott getraut sein! Ihr Mutterinstinkt machte sie gerissen.
Im nächsten unbewachten Augenblick schlich sie aus dem Kloster und fuhr mit dem Bus in die Altstadt von Warschau, wo verfallende vierstöckige Stadthäuser Schulter an Schulter am Rande eines Parks standen, wie eine Reihe ehrwürdiger alter Damen im Schatten eines blühenden Baumes. Die Wohnung der Walenskis lag in einem der größeren Häuser mit einer pompösen Eingangshalle. Nach kurzem Warten öffnete eine elegante, untersetzte Frau die Tür. Helena erkannte sofort dieselbe königliche Haltung, die sie an Fridrych so fasziniert hatte, und die gleiche aristokratische Nase.
„Ich bin eine Freundin von Fridrych“, erklärte sie und straffte sich in ihrem schäbigen übergroßen Mantel. „Ich hatte gehofft, Sie könnten mir helfen, ihn zu finden. Es ist dringend.“
Fridrychs Mutter war vorsichtig. „Ich weiß nicht, wo mein Sohn ist.“
„Warten Sie!“ Helena drückte eine Hand gegen die sich schließende Tür. „Nur einen Moment. Was ich Ihnen zu sagen habe, sollte unter uns bleiben.“
Die Frau betrachtete sie forschend und voller Ablehnung. „Ich gestatte Fremden nicht, meine Wohnung zu betreten. Worum geht es?“
Helena blieb auf der Schwelle stehen und öffnete ihren Mantel. Zum Vorschein kam der gerundete Leib einer Frau im fünften Monat. Sie fühlte sich billig in dieser eleganten Umgebung, aber für ihr Kind und für Fridrych würde sie nicht zurückweichen.
„Ich erwarte Fridrychs Kind.“
„Sie lügen“, flüsterte Fridrychs Mutter, führte sie jedoch rasch ins Foyer und schloss die Tür. „Glauben Sie, Sie sind die Erste, die meinen Sohn mit diesem üblen Trick einzufangen versucht?“
Während sie energisch durch die Räume schritt, folgte Helena ihr wie eine Traumwandlerin. Das Haus war großzügig und elegant und das genaue Gegenteil von dem kleinen Bauernhaus, in das sich ihre Familie quetschte. Während sie sich umsah, bemerkte sie eher Details als das große Ganze: eine Uhr mit Goldfiligran, ein dicker Teppich, Kristalllüster von majestätischen Ausmaßen. Wie fühlte man sich als Herrin eines solchen Hauses? Würde sie auch hier leben, wenn sie Fridrychs Frau wäre?
„Sagen Sie mir, wer Sie sind.“
„Ich bin Helena Godowski, Pani Walenska, und ich habe nicht vor, Ihren Sohn mit einem Trick einzufangen. Finden Sie nicht, dass es eher umgekehrt ist? Ich trage sein Kind, Ihren Enkel. Fridrych hat mir versprochen, mich nach Amerika zu holen. Aber wie Sie sehen, kann ich nicht länger warten. Meine Familie schämt sich, ich kann nicht zu ihr zurück. Ich habe niemand, an den ich mich wenden kann. Die Nonnen wollen, dass ich das Kind weggebe. Hat Fridrych mich nie erwähnt?“
Seine Mutter rückte sich in ihrem Sessel zurecht. „Nein, niemals. Was wollen Sie?“
„Ich will Fridrych. Ich will bei ihm sein.“
„Das geht nicht. Ich weiß nicht, wo er ist. Ich weiß es wirklich nicht. Er kann mir nicht schreiben, Sie kleine Närrin, die Behörden suchen ihn. Das verstehen Sie sicher. Sie wollen doch nicht, dass er ins Gefängnis kommt, oder?“
„Nein, natürlich nicht.“ Sie war aufgeregt und erleichtert zugleich. Wenn Fridrych nicht mal seiner Mutter schreiben konnte, konnte er natürlich auch ihr nicht schreiben. Er hatte sie nicht vergessen. Er liebte sie, dessen war sie sicher. „Ich liebe Fridrych. Ich würde nie etwas tun, das ihm schaden könnte. Das müssen Sie mir glauben.“
Seine Mutter ließ traurig die Schultern hängen und nickte.
„Ich brauche Hilfe“, drängte Helena, ermutigt von dem Mitgefühl, das sie spürte, und sah auf ihren Bauch. „Fridrych weiß nichts von dem Kind. Er reiste ab, ehe ich sicher war. Ehe ich es ihm sagen konnte.“ Sie hob den Blick und beugte
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