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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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verschlossene Tür eintraten, wenn sie darum gebeten wurden.
    Ben bemerkte, dass Nesto die Drachen immer wieder scheu beobachtete. Angst schien er keine mehr zu empfinden, doch es dauerte bis weit nach Mittag, bis er es endlich wagte, Juri anzusprechen. Ben sah es zufällig, als er aus einem hoch gelegenen Fenster blickte. Auf diese Entfernung konnte er nichts verstehen, doch der Junge lächelte vorsichtig.
    »Hast du dir eigentlich mal überlegt, wie viele Münzmolche vor der Insel hier leben müssen? Da, wo die Schiffe gesunken sind?«, fragte Yanko Ben, als die beiden gemeinsam das nächste Gebäude durchforsteten, während die Mädchen unten geblieben waren, um eine Reihe besonders sauber geschliffener Trinkmuscheln zu begutachten. Die kleinen hatten
die Größe, um als gemeinschaftliche Krüge zu dienen.
    »Nein.« Zugleich entsetzt und beeindruckt schüttelte Ben den Kopf. »Aber, Hellwahslichtnochmal, du hast recht. Oder es ist ein gigantischer Riesenmünzmolch, der sich die Ladung beider Steuerschiffe geschnappt hat. Der müsste so groß wie Aiphyron sein.«
    »Aiphyron? Pah! Viel größer, so lang wie beide Segelschiffe hintereinander. Da ist Aiphyron eine Eidechse im Vergleich. Ich sag dir, dort möchte ich auf keinen Fall ins Wasser fallen. Wer da taucht, ist verloren. Allein wenn so ein gigantischer Molch nur mal tief einatmet, entstehen wilde Strudel, die einen unerbittlich in die Tiefe reißen. Und wer da runtergezogen wird, den verschlingt der Münzmolch mit einem beiläufigen Happs und schluckt ihn im Ganzen runter. Und dann muss der im Bauch des Giganten ganz langsam verdursten.«
    Ben schauderte, dann erzählte er Yanko von dem Plan, sich hier einzuquartieren. Und dass er dem Händler und Nesto nichts sagen sollte.
    »Klar sage ich nichts. Ich hatte ja überlegt, ob wir vielleicht bei Finta in die Lehre gehen sollten, und auf diese Weise unauffällig Unterschlupf in der Stadt finden, aber euer Plan ist besser.«
    »Ja. Aber schlecht ist deiner auch nicht.« Gönnerhaft klopfte Ben Yanko auf die Schulter.
    »Können wir ja später doch noch überlegen«, sagte Yanko, der seine Idee trotz allem natürlich nicht einfach so aufgeben wollte. »Aber weißt du, was mich im Moment am meisten interessiert? Wo ist das Verlies?«
    »Das Verlies?«
    »Ja. Finta hat doch erzählt, die Trolle haben die Menschen
hier in einem Verlies gemästet, und Verliese liegen von Natur aus unterirdisch. Aber wir haben noch nicht einen einzigen Zugang zu einem Keller oder Gewölbe gefunden. Nicht einen einzigen. Überhaupt keinen Raum, der annähernd wie ein Verlies aussieht, mit vergitterten Fenstern und so. Einen, in dem man jemanden einsperren kann. Findest du das nicht merkwürdig?«
    »Ja.« Ben kratzte sich an der Nase, so wörtlich hatte er die Einzelheiten nicht genommen. »Nun ja, vielleicht waren es aber auch nur Holzställe im Innenhof, die es inzwischen nicht mehr gibt, weil die Freigelassenen sie vor Wut verbrannt haben. Und die Sage übertreibt.«
    »Vielleicht. Aber ich glaube, wir haben einfach noch nicht alles gefunden. Jede ordentliche Festung birgt auch ein geheimes Verlies. Und wenn es das gibt, dann ist es bestimmt voller Schätze.«
    »Soll mir recht sein«, sagte Ben, dem dieser Zusammenhang zwar nicht zwingend schien, der aber natürlich nicht das Geringste gegen ein geheimes Verlies und dort wartende Reichtümer einzuwenden hatte.
    Doch nirgendwo fanden sie eine Treppe, die in die Tiefe führte.
    Als sich Yanko später auf die Suche nach Nica machte, schlenderte Ben zu dem Schiffsjungen Nesto hinüber, der auf die Festungsmauer geklettert war und aufs Meer starrte.
    »Kann ich raufkommen?«, fragte Ben, setzte den Fuß auf einen kleinen Vorsprung und griff nach einer Mauerritze in Kopfhöhe.
    »Klar.« Nesto drehte sich um und lächelte, als er Ben erkannte. »Da drüben, gleich hinter dem zweiten Torturm, ist eine Treppe.«

    »Treppen sind für Mädchen«, knirschte Ben, zog sich ein Stück hoch und fand einen Vorsprung für den zweiten Fuß. Doch mit dem ausgestreckten linken Arm tastete er vergeblich nach einer Vertiefung, in die er greifen konnte. Also ließ er sich wieder nach unten fallen und brummte: »Und für Jungen, die es eilig haben.«
    Kurz darauf saßen sie nebeneinander und blickten in Richtung Großtirdisches Reich. Das Meer war ruhig, die Sicht klar und die Küstenlinie gut am Horizont zu erkennen.
    »Hast du Heimweh?«, fragte Ben.
    »Nein.«
    »Kein bisschen?«
    »Nein. Deshalb bin

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