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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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zweitälteste wies jeden Freier ab. Mein Vater fluchte den ganzen Tag.
    Ich schämte mich furchtbar über mein Versagen, aber ich konnte es nicht wiedergutmachen. Wäre ich nur nicht so stolz gewesen und hätte mein Fieber akzeptiert! Dann hätte ich es später versuchen können. Dann wäre ich jetzt zwar nicht der jüngste Knappe, aber wenigstens wäre ich ein Knappe und mein Vater trotzdem stolz auf mich. Oder würde zumindest noch mit mir reden. Aber so war ich nur eine untragbare Schande und lief davon, um zur See zu fahren.«
    Als Nesto geendet hatte, schwiegen sie eine Weile, bis Ben fragte: »Du willst also eigentlich bis heute Drachenritter werden?«
    »Bis gestern.« Nesto schleuderte einen weiteren Stein hinab. »Manchmal habe ich in den letzten Monaten den Orden verflucht, weil er mir keine zweite Chance gegeben hat. Weil er tagelang ernsthaft dachte, ich sei ein Attentäter, obwohl jeder das Fieber hatte sehen können. Das war nicht richtig, und jetzt habe ich geflügelte Drachen gesehen und mit ihnen gesprochen. Sie haben uns gerettet – wie können sie also von Samoths Fluch besessen sein? Wie kann jemand verlangen, ihnen die Flügel abzuschlagen? Also frage ich mich, ob überhaupt irgendwas an den Taten des Ordens richtig ist.«
    »Ist es nicht.« Ben ließ den nächsten Kiesel über seine Handfläche rollen.
    »Aber einmal hat ein Ritter meine Schwester Nytheen gerettet, als sie in einer Gasse von einem betrunkenen Rüpel gepackte wurde. Das war richtig.«

    »Hm.« Ben ließ den Stein achtlos aus seiner Hand fallen. »Ja. Das war wohl richtig.«
    »Da siehst du es.«
    Schweigend saßen sie nebeneinander und starrten aufs Meer hinaus. Im Westen zogen ein paar Wolken auf, und der sanfte Frühlingswind blies ihnen warm ins Gesicht; vom vergangenen Winter war nichts mehr zu spüren.
    »Und was willst du jetzt machen?«, fragte Ben.
    »Was schon? Weiter zur See fahren. Sobald Herr Dogha ein neues Schiff hat, kann er mich sicher wieder brauchen.«
    »Und bis dahin?«
    »Hoffe ich, dass ich irgendwie bei ihm unterkomme. Irgendeine Arbeit im Hafen oder in seinem Haus lässt sich hoffentlich finden. Manchmal habe ich schon Botengänge für ihn erledigt.« Nesto spuckte im weiten Bogen von der Mauer, weil er keinen Stein mehr zum Werfen hatte. Natürlich kam er nicht bis zum Meer. »Und bis dahin kann ich ja nachts durch Rhaconia schleichen und ein paar Steckbriefe von den Wänden reißen, auf denen drei junge Geächtete gesucht werden, die in Begleitung geflügelter Drachen reisen. Über den Bürgerkrieg sind sie eh fast vergessen.«
    »Das klingt zumindest, als wäre es richtig.« Ben lächelte. »Danke.«
    »Nichts zu danken. Ohne euch wäre ich schließlich tot.«

EIN HELD AUS DER FERNEN PYRAMIDENSTADT
    A ls sich die Sonne dem Horizont näherte, saßen sie auf hölzernen Bruchstücken von Trollmöbeln im Innenhof bei ihrem letzten Proviant zusammen und verabschiedeten sich von Finta und Nesto.
    »Ich dachte, ich könnte vielleicht mitfliegen und mich ein bisschen in Rhaconia umsehen«, sagte Ben fast beiläufig, als Finta kurz um die Ecke gegangen war, um draußen gegen die Mauer zu pinkeln.
    »He! Das hatte ich mir auch gedacht«, sagte Yanko mit vollem Mund. »Alsodass ich mitgehe, nicht du.«
    »Ich hab’s aber zuerst gesagt.«
    »Nur weil ich noch gekaut habe.«
    »Selbst schuld, wenn du so verfressen bist.«
    »Kann ja nicht jeder so ein Lattendürrer sein wie du.«
    »Gierstumpen!«
    »Drängeltöle!«
    »Nachzügler!«
    »Blöder Sturkopf! Dann lass uns doch zu zweit gehen«, schlug Yanko vor. »Zwei Köpfe sehen mehr als einer, heißt es doch immer.«
    »Zu zweit werden wir leichter erkannt. Nein, es …«
    »He, ihr Möchtegern-Helden«, mischte sich Anula ein. »Weshalb muss denn einer von euch gehen?«
    »Na, du kannst nicht. Deine glitzernde Haut ist viel zu auffällig«, sagte Yanko.

    »Ich will ja auch gar nicht! Darum geht es doch nicht, sondern …«
    »Und ich kann mir auch noch das Haar mit Asche schwarz färben«, sagte Ben zu Yanko. »Deines ist viel zu dunkel, da fällt der Unterschied kaum …«
    »He! Ihr habt Anula nicht verstanden!«, rief Nica. »Wieso sollte überhaupt einer von uns mitgehen? Welchen Sinn hätte das denn?«
    »Ähm, Sinn?« Verwirrt sah Yanko sie an. »Das liegt doch auf der Hand. Weil wir nur so etwas über Rhaconia herausfinden können. Weil einer von uns in Begleitung von Finta unauffällig in die Stadt kommt, ohne dass …«
    »Psst!« Nica nickte in

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