Das Verlies
Tür.«
Er stellte sich davor und trat viermal kräftig dagegen, bis sie aufflog und an die Wand krachte.
»Das ist ein ganz normales Haus«, sagte er. Durant und Hellmer inspizierten die drei vollständig eingerichteten und penibel aufgeräumten Zimmer, fanden jedoch keine Hinweise, dass sich irgendjemand außer Lura in letzter Zeit hier aufgehalten haben könnte.
»Gibt es hier einen Keller?«, fragte Hellmer.
Ursula Lura wagte nicht, ihn anzusehen, sondern nickte wieder nur. Keine Frage, wieso dieses Haus sich in einem so guten Zustand befand, keine Frage, warum es so geschmackvoll eingerichtet war, Ursula Lura hatte keine Fragen mehr, ihr Blick sprach Bände.
»Und wo ist die Tür. Ich sehe hier keine Tür, die in den Keller führt.«
Ursula Lura ging in die Mitte des Wohnraums und deutete mit dem Finger nach unten.
»Die Tür ist in den Boden eingelassen?«
»Ja.«
Hellmer zog den dicken, flauschigen Teppich beiseite, und er und Durant sahen auf eine Eisentür, die mit dem Boden fast völlig verschmolz. Hellmer entriegelte sie und hob sie an.
»Das ist ja stockduster da unten. Hier muss es doch irgendwo Licht geben.« Er stieg die ersten drei Stufen hinab, suchte nach dem Schalter, fand ihn schließlich und betätigte ihn. Das Licht kalter Neonröhren flackerte auf.
»Mein lieber Scholli, das ist ja …«
»Ein Verlies«, vollendete Durant den Satz.
»Diesen Bunker haben meine Eltern zu Beginn des Zweiten Weltkriegs gebaut. Hier unten haben wir uns immer aufgehalten, wenn Bombenalarm war«, erklärte Ursula Lura mit leerer Stimme und ebenso leerem Blick.
»Und das war der Aufenthaltsort Ihres Sohnes, wenn ihm zu Hause mal wieder alles zu viel wurde«, sagte Durant leise und stieg hinter Hellmer die sechzehn steilen Stufen hinunter. Unten angekommen, stockte ihr der Atem. Sie sah die zwei Eisenstangen, die Handschellen, einen großen Fleck auf dem Teppich, die Campingtoilette, das Vorratsregal, den großen Tisch, das Bett, die Stereoanlage, den bequemen Ohrensessel, den Aschenbecher, der voller Kippen war. Die Luft war abgestanden, es roch muffig. Das einzig Helle waren das Licht und die schneeweißen Wände.
Hellmer war in den Nebenraum gegangen und rief ihr zu: »Komm her, das musst du dir ansehen.« Er stand wie versteinert vor einer großen, offenen Gefriertruhe. »Kennst du das Mädchen?«
»Großer Gott!«, stieß Durant entsetzt aus, als sie unter dem Eis das Gesicht und einen Teil des Körpers sah. »Das ist Frau Preusse.«
»Wer ist Frau Preusse?«
»Sie arbeitet, das heißt, sie hat in der Buchhaltung von Lura gearbeitet. Diese verdammte Drecksau! Ruf im Büro an, die sollen alles herschicken. Der muss sie irgendwann am Wochenende umgebracht haben, denn am Mittwoch hab ich sie noch im Büro gesehen.«
Durant begab sich wieder nach draußen, Ursula und Horst Lura standen auf der obersten Treppenstufe und nahmen von ihrem Standort aus nur einen Bruchteil des Raums wahr. »Kommen Sie runter, ich will Ihnen etwas zeigen«, sagte sie.
»Ich will nicht«, entgegnete Ursula Lura.
»Los, komm mit und schau dir an, was dein Sohn getrieben hat.«
»Lass mich!«
»Du kommst jetzt mit!«, herrschte Horst Lura seine Frau an, die wie angewurzelt dastand.
»Ich will da nicht runter«, murmelte sie. »Das ist ein abgekartetes Spiel, um Rolf kaputtzumachen.«
»Das einzig abgekartete Spiel war das zwischen dir und deinem werten Herrn Sohn all die Jahre lang. Und ich Depp hab natürlich keinen blassen Schimmer gehabt. Wenn ich gewusst hätte, was für eine Teufelsbrut in meinem Haus ein und aus geht … Und jetzt runter«, befahl er ein weiteres Mal und zog sie einfach hinter sich her.
Als sie unten waren, sagte Durant sarkastisch mit Blick auf Ursula Lura: »Es scheint, Ihr über alles geliebter Sohn steht auf ausgefallene Spielchen.« Sie deutete auf die Handschellen. »Aber ich will Ihnen noch etwas anderes zeigen. Folgen Sie mir … Das ist nur
ein
Werk Ihres Sohnes!«
Als Ursula Lura den Leichnam von Mandy Preusse sah, fing sie an zu schreien. »Rolf, mein Gott!!! Mein lieber kleiner Rolfi!«
»Bringen Sie Ihre Frau wieder nach oben. Meine Kollegen werden bald eintreffen.«
»Wir haben alles falsch gemacht«, sagte Horst Lura mit belegter Stimme. »Ich hatte nie eine Chance, und weiß Gott, ich habe mein Bestes versucht. Er nahm seine Frau am Arm und führte sie nach oben.
»Jetzt haben wir ihn endgültig«, sagte Julia Durant. »Da holt ihn auch der beste Anwalt der Welt nicht mehr
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