Das verlorene Gesicht
gehört. »Er war so intelligent. Er hatte so große Träume. Und er hätte sie
alle wahr werden lassen.« Sie streichelte den linken Wangenknochen. Sie flüsterte: »Was für ein unglaublicher Mann du warst, Ben Chadbourne.«
Lisas Berührung war beinahe liebevoll, stellte Eve schockiert fest. Der ganze Horror, der ganze Terror war verschwunden.
Lisas Augen glänzten vor Tränen, als sie zu Eve aufschaute. »Die Regenbogenpresse wird sich um Fotos von ihm reißen. Sie wollen immer die hässlichsten und grässlichsten Fotos. Lassen Sie nicht zu, dass sie Ben so fotografieren. Ich möchte, dass die Leute sich so an ihn erinnern, wie er war. Beschützen Sie ihn. Versprechen Sie es mir.«
»Ich verspreche es. Keine Fotos außer denen, die als Beweismaterial vor Gericht verwendet werden. Danach werde ich dafür sorgen, dass er heimkehrt.«
»Heim.« Sie schwieg eine Weile, und als sie wieder sprach, lag Verwunderung in ihrer Stimme. »Es ist mir wirklich wichtig. Aber Ben wäre es nicht wichtig gewesen. Er hat immer gesagt, was wir hinterlassen, ist wichtig, nicht, was nach unserem Tod mit uns geschieht.« Sie starrte auf den verbrannten Schädel und Tränen quollen wieder aus ihren Augen. »Gott, das tut mir so weh, Ben. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich dich würde ansehen müssen. Du hast mir doch gesagt, ich würde dich nicht ansehen müssen.«
Eve erstarrte. »Was haben Sie gesagt?«
Lisa sah sie an. »Ich habe ihn geliebt«, sagte sie. »Ich
habe ihn immer geliebt. Und ich werde ihn immer lieben. Er war liebevoll und fürsorglich und außergewöhnlich. Haben Sie wirklich geglaubt, ich hätte einen solchen Mann umbringen können?«
»Sie haben ihn umgebracht. Oder vielmehr, Sie haben es
Maren für Sie tun lassen.«
»Ich habe Scott überredet, die Spritze vorzubereiten.«
Sie schaute den Schädel an. »Aber Ben nahm Scott die
Spritze ab und setzte sie sich selbst. Er wollte nicht, dass
Scott die Verantwortung übernahm. So ein Mann war er.« »Warum?«
»Er war tödlich an Krebs erkrankt. Er hatte es einen
Monat nach seinem Amtsantritt erfahren.«
Es dauerte einen Augenblick, bis Eve sich genug gefasst
hatte, um zu fragen: »Selbstmord?«
»Nein, Selbstmörder sind Feiglinge. Ben war kein
Feigling. Er wollte nur –« Sie atmete tief durch, um ihre
Stimme zu beruhigen. »Er hat alles genau geplant. Er wusste,
dass alle seine Träume zerplatzen würden. Wir hatten
fünfzehn Jahre lang daran gearbeitet, ihn ins Weiße Haus zu
bekommen. Was waren wir für ein Team … Er musste
Mobry zum Vizepräsidenten ernennen, denn wir brauchten
den Süden, aber er hat mir immer versichert, dass ich den
Posten hätte bekommen sollen. Es machte mir nichts aus. Ich
wusste, dass ich immer da sein würde, um ihn zu
unterstützen. Und als wir dann erfuhren, dass er sterben
würde, bevor er dazu kam, seine Träume zu verwirklichen
… Es war nicht fair. Er konnte es nicht ertragen.«
» Er hat das alles geplant.«
»Er hat Kevin Detwil ausgewählt. Er hat mir erklärt, wie ich mit ihm umgehen sollte, was ich ihm sagen sollte, damit er alles richtig macht. Er wusste, dass ich Timwick brauchen würde, und er hat mir gesagt, womit ich ihn zur
Mitarbeit ködern konnte.«
»Timwick wusste von seiner Erkrankung?«
»Nein, Timwick glaubte, es sei Mord gewesen. Ben
glaubte, er wäre besser unter Kontrolle zu halten, wenn er
sich für einen Komplizen an dem Mord am Präsidenten
hielt. Er hatte Recht.« Sie lächelte bitter. »Er behielt in
allem Recht. Alles lief gut. Jeder hatte seine Aufgabe.
Meine war es, Kevin unter Kontrolle zu halten, hinter den
Kulissen zu agieren und dafür zu sorgen, dass Bens
Gesetze durchgingen. Allein in dieser Amtsperiode habe
ich sieben durch den Kongress gebracht. Ist Ihnen klar,
wie hart ich gearbeitet habe?«
»Und was war Timwicks Aufgabe?«, fragte Eve grimmig. »Es war nicht geplant, dass Menschen getötet wurden.
Er sollte uns nur schützen und es uns erleichtern, die
Öffentlichkeit zu täuschen. Aber er bekam es mit der
Angst zu tun. Er geriet in Panik und ich habe die Kontrolle
über ihn verloren.«
»Dann hat Ihr Ben offenbar nicht Recht behalten, was
Timwick anbelangt.«
»Er hätte Recht behalten, wenn alles wie geplant
verlaufen wäre. Wenn Donnelli getan hätte, was man ihm
aufgetragen hatte. Wenn Logan nicht aufgetaucht wäre.«
Sie sah Eve an. »Wenn Sie sich um Ihre eigenen
Angelegenheiten gekümmert hätten.«
»Wenn niemand Verdacht geschöpft hätte.«
»Wie hoch standen die
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