Das verlorene Gesicht
ausdrucken und mir das nächste Foto vornehmen.« »Aber Sie haben doch gerade gesagt, dass die Übereinstimmung perfekt ist.« »Für einen normalen Menschen. Nicht für den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Jede Einzelheit muss überprüft werden. Ich brauche eine bessere Seitenaufnahme des Gehörgangs und der Muskelansätze an der Seite von –« »Ich habe verstanden.« Logan hob die Hand, um ihren Redeschwall zu unterbrechen. »Kann ich irgendetwas tun?« »Sie können sich um Gary kümmern und ihn beruhigen, bis ich fertig bin. Er ist drauf und dran, auf mich loszugehen.« »Zu Befehl.« Er stand auf. »Leute zu beruhigen scheint im Moment das Einzige zu sein, was ich tun kann. Es nervt mich, wenn ich selbst nicht aktiv werden kann.« »Passiv gefallen Sie mir besser«, sagte sie trocken. »Jedes Mal, wenn Sie aktiv werden, versinke ich tiefer im Treibsand.« »Kein Kommentar.« Er durchquerte das Labor und ging zu Kessler. Sie wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Sie hatte gewusst, dass die Bildmischung ihre Ergebnisse bestätigen würde, und dennoch war das Ganze aufregend. Ein weiteres Glied in der Beweiskette, die sie zusammenfügen musste. »Wir sind bald fertig, Ben«, flüsterte sie. Sie betätigte den Drucker.
3.35 Uhr
Es regnete.
Während der Arbeit im Labor hatte sie es gar nicht bemerkt. Jetzt stand sie in der offenen Eingangstür und schaute hinaus auf die manikürten Rasenflächen des Campus. Die kühle, feuchte Luft tat ihrer Lunge gut und sie atmete tief durch.
Eigentlich müsste sie müde sein, aber sie war immer noch ganz aufgekratzt von der Arbeit. »Du solltest lieber nicht hier draußen sein.« Joe stand ein paar Meter neben dem Eingang gegen die Wand gelehnt. »Geh wieder rein.« »Ich brauche ein bisschen frische Luft.« »Seid ihr fertig?« »Ich bin fertig mit dem Mischbild. Gary hat gerade erst angefangen, die DNA zu isolieren.« Sie sah ihn an. »Du bist ganz nass.« »Nur ein bisschen. Der Dachvorsprung hält den Regen ab. Es tut irgendwie gut.« Er verzog das Gesicht. »Ich bin ziemlich geladen.« »Ist mir nicht entgangen. Aber du solltest deine Wut nicht an Logan auslassen. Es war meine Entscheidung, die Aufgabe zu übernehmen. Ich wusste, dass ich ein Risiko eingehe. Aber das Honorar war einfach zu verführerisch.« »Ich wette, er hat dir vorher nicht gesagt, wie hoch das Risiko ist.« »Es war trotzdem meine Entscheidung.« Warum verteidigte sie Logan? Joe hatte Recht, wenn er Logans Methoden verdammte, und sie war ebenso wütend gewesen wie Joe, als sie erkannt hatte, wie sie benutzt worden war. Sie wechselte das Thema. »Es ist spät. Du müsstest längst zu Hause sein. Diane wird sich Sorgen machen.« »Ich hab sie angerufen.« »Wenn du ihr gesagt hast, dass du bei mir bist, wird sie sich trotzdem Sorgen machen. Sie hat bestimmt die Nachrichten auf CNN gesehen.« »Ich hab’s ihr nicht gesagt.« »Du hast sie angelogen? « »Nein, ich hab ihr nur gesagt, dass ich länger arbeiten muss.« »Das ist fast eine Lüge. Ich wäre wütend, wenn du mir gegenüber nicht ehrlich wärst.« »Du bist nicht Diane. Sie möchte lieber im Dunkeln gelassen werden, wenn etwas Unangenehmes ansteht. Sie hat sich nie daran gewöhnt, dass sie mit einem Polizisten verheiratet ist. Sie wäre froh, wenn ich den Dienst quittieren und mir einen Job suchen würde, der ein bisschen prestigeträchtiger ist.« »Tja, ich kann nicht bestreiten, dass die Situation mehr als unangenehm ist, aber ich würde dir trotzdem den Schädel einschlagen. Die Ehe sollte eine Partnerschaft sein.« »Es gibt die unterschiedlichsten Ehen.« »Eigentlich sollte ich mich nicht wundern. Mir erzählst du auch nicht alles.« Sie wandte sich von ihm ab und schaute in die Ferne. »Zum Beispiel hast du mir nie erzählt, dass du in Ausübung deiner Pflicht jemand getötet hast.« »Es gab genug Gewalt in deinem Leben. Ich wollte dir nicht noch mehr zumuten.« »Das war also deine Entscheidung? Genau wie die, die du getroffen hast, um Diane zu schützen? Bloß nichts Unangenehmes an die zarten Frauen rankommen lassen.« »Ob ich dich schützen wollte?«, fragte er gereizt. »Ja, verdammt. Aber ich wollte mich auch selbst schützen. Ich wusste, dass du so reagieren würdest. Ich wollte nicht, dass du mich anschaust und Fraser siehst.« »Das würde ich niemals tun. Ich kenne dich. Ich bin mir sicher, dass du nur getan hast, was du tun musstest.« »Dann dreh dich um und lass mich dein Gesicht sehen.« Sie holte tief Luft,
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