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Das verlorene Ich

Das verlorene Ich

Titel: Das verlorene Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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sich dafür entschieden.
    Im Laufe der Jahre waren seine Besuche hier zu einer Art Ritual geworden, dessen Zweck einzig darin bestand, ihn nicht vergessen zu lassen.
    Um Simone ging es ihm bei seinen Besuchen eher weniger, auch wenn er vordergründig so tat, als würde er sich um ihr Wohlergehen sorgen. Dabei widerten ihn die Art, wie sie hauste und was aus ihr geworden war, sehr viel mehr an, als daß beides ihn gerührt hätte.
    Dennoch meinte er in ihrem merkwürdigen Verfall auch ein Zeichen dafür zu sehen, was Jerome ihr wirklich bedeutet hatte -schlicht alles! Ihr vorzeitiges Altern und das Desinteresse an der einstmals so noblen Residenz mochten ihr ein Ventil sein - für den Schmerz ihres auf ewig gebrochenen Herzens.
    Zu Jeromes Lebzeiten hatte Giordan Vautier nicht recht geglaubt, daß Simone wirklich etwas an seinem Sohn gelegen hatte. Er hatte den Verdacht gehegt, sie hätte sich in allererster Linie in den Reichtum und die Macht hinter Jerome verliebt. Da sie jedoch auch nach Jahren noch zu trauern schien, hatte er sein Urteil über seine Schwiegertochter revidieren müssen. Und so galten seine Besuche hier, zu einem kleinen Teil wenigstens, doch auch Simone.
    Sie empfing ihn unter der offenen Eingangstür, hielt sich jedoch im Dämmer jenseits der Schwelle. Sie verließ das Haus kaum mehr; das letzte Mal mußte Jahre zurückliegen.
    Vautier gab seinem Chauffeur das obligatorische Zeichen, zu warten, dann stieg er aus und betrat das Haus, das er damals seinem Sohn gekauft hatte, auf daß er darin eine Familie gründete, die dereinst sein Erbe hatte antreten sollen. Alles hatte traditionsgemäß in der Familie bleiben sollen - Geld, Macht und Einfluß. Nun aber würde diese Tradition sterben - in dem Moment, da Giordan Vau-tier selbst starb.
    Wie immer verzichtete er darauf, Simone zu umarmen. Sie zu berühren flößte ihm, aus einem Grund, den er nie richtig verstanden hatte, ärgstes Unbehagen ein. Kalt wie ein Fisch kam sie ihm vor, und irgend etwas haftete ihr an, das ihn stets an Tod und Vergänglichkeit gemahnte.
    Auf gewisse Weise sah sie immer noch hinreißend aus. Vielleicht aber, mutmaßte Vautier, lag sein Eindruck auch nur daran, daß er sie in Gedanken noch immer so sah wie damals, als sie Jeromes Frau gewesen war.
    »Wie geht es dir?« Seine Frage war der rituelle Auftakt ihrer Unterhaltungen. Sie hatten sich nicht wirklich etwas zu sagen.
    »Gut«, erwiderte sie. »Soweit es mir eben gutgehen kann, nicht wahr?« Ihr Lächeln bewegte sich wie von eigenem Leben erfüllt, zuckend und - nervös.
    Vautier stutzte. So kannte er Simone nicht. Sie war ihm stets etwas lethargisch, teilnahmslos und gleichgültig erschienen, und mit jedem Besuch schien dieser Eindruck sich noch verstärkt zu haben. Heute indes - »Was ist mit dir, ma chere?« fragte er, gleichermaßen besorgt wie beunruhigt, fast mißtrauisch. Mißtrauen war eines der Fundamente, auf die er seine Macht aufgebaut hatte. Wäre er nicht allem und jedem, was ihm ungewöhnlich vorkam, seit jeher mißtrauisch begegnet, er wäre nie der Mann geworden, der er heute war.
    »Nichts.« Ihr Lächeln flatterte stärker. »Was soll sein?«
    Vautier ließ den Blick schweifen, freilich ohne viel erkennen zu können. Das Innere des Hauses war düster, und das Kerzenlicht verdichtete die Schatten über allem eher, als daß es sie vertrieben hätte.
    »Du bist sicher, daß du mir nichts verheimlichst?« fragte er dann. »Du weißt, ich helfe dir -«
    Sie nestelte mit hektischen kleinen Bewegungen an ihrem breiten Halsschmuck.
    »Du brauchst dich nicht zu sorgen«, sagte sie. »Es ist nichts.«
    »Nun gut«, erwiderte er, keineswegs beruhigt. Sein Blick tastete weiter durchs Dämmer, während seine Hand unter sein Jackett glitt und mit einem Scheck wieder zum Vorschein kam. Er reichte ihn Simone, die ihn rasch an sich nahm.
    »Ruf mich an«, sagte Giordan Vautier lahm und wandte sich schon zum Gehen, »wenn irgend etwas - Ungewöhnliches geschieht.«
    »Naturellement.«
    Er nickte ihr zum Abschied zu. Trat auf die Tür zu. Und erstarrte, als hätte jemand einen Kübel Eiswasser über ihm ausgegossen.
    »Monsieur Vautier?«
    Die Stimme kam aus dem Dunkel der oberen Etage.
    Vautier drehte sich um.
    Simone schrie entsetzt auf.
    »Meister! Nein!«
    Eine Gestalt schälte sich aus der Dunkelheit, in der das obere Treppenende wie in schwarzen Nebelschwaden verborgen lag.
    Vautier war schon fast sicher gewesen, die Stimme erkannt zu haben; nach all den Jahren

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