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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Zuneigung bettelte, wenn er nicht gewillt war, sie zu geben.
    Die Geschäftigkeit im Innern des Château Comtal setzte sich
    auch in der Cité fort. Auf dem Hauptplatz wurden Steine aus den Corbières aufgetürmt, griffbereit, um die Ballistas und Katapulte zu bestücken. Beißender Uringestank drang aus der Gerberei, wo Tierhäute vorbereitet wurden, um die Galerien gegen Feuer zu schützen. Eine unaufhörliche Prozession von Karren rollte durch die Porte Narbonnaise und brachte Nahrungsmittel für die Cité: Pökelfleisch aus La Piège und dem Lauragais, Wein aus Carcassès, Gerste und Weizen aus den Ebenen, Bohnen und Linsen von den Gemüsefeldern von Sant-Miquel und Sant- Vicens.
    Hinter all der Betriebsamkeit war ein Gefühl von Stolz und Entschlossenheit spürbar. Nur die düsteren Wolken aus schwarzem Rauch über dem Fluss und dem Marschland im Nordwesten - wo auf Befehl von Vicomte Trencavel die Mühlen verbrannt worden waren und die Ernte vernichtet - erinnerten daran, wie unmittelbar und real die Gefahr war.
    Alaïs wartete an dem vereinbarten Treffpunkt auf Sajhë. In ihrem Kopf überschlugen sich die Fragen, die sie Esclarmonde stellen wollte, unstet wie die Vögel am Fluss. Als Sajhë schließlich kam, war sie sprachlos vor gespannter Erwartung.
    Sie folgte ihm durch namenlose Straßen in den Vorort Sant- Miquel, wo sie schließlich vor einer niedrigen Tür, die sich ganz nah an der Außenmauer befand, stehen blieben. Das Geräusch der Männer, die Gräben anlegten, damit der Feind sich nicht unter die Mauern hindurchgraben konnte, war sehr laut. Sajhë musste fast schreien, damit sie ihn verstand.
    »Menina wartet drinnen«, sagte er mit plötzlich ernster Miene. »Kommst du nicht mit hinein?«
    »Sie hat gesagt, ich soll Euch herbringen und dann zurück zum Chateau laufen und Intendant Pelletier holen.«
    »Er müsste im Cour d'Honneur sein«, sagte sie.
    »Gut.« Das Lächeln kehrte auf sein Gesicht zurück. »Bis später dann.«
    Alaïs stieß die Tür auf und rief in freudiger Erwartung Esclarmondes Namen, dann blieb sie wie angewurzelt stehen. In dem Dämmerlicht konnte sie eine zweite Gestalt auf einem Stuhl in der Ecke sitzen sehen.
    »Kommt herein, kommt herein«, sagte Esclarmonde mit einem Lächeln in der Stimme. »Ich glaube, Ihr habt Simeon bereits kennen gelernt.«
    Alaïs war verblüfft. »Simeon? So schnell?«, rief sie erfreut, lief zu ihm und ergriff seine Hände. »Was habt Ihr für Neuigkeiten? Seit wann seid Ihr in Carcassona? Wo wohnt Ihr?«
    Simeon stieß ein tiefes, volles Lachen aus. »So viele Fragen! Was für eine Eile, alles möglichst schnell zu erfahren! Bertrand hat gesagt, dass Ihr schon als Kind unablässig Fragen gestellt habt!« Alaïs bestätigte das mit einem Lächeln. Sie schob sich auf die Bank am Tisch, nahm den Becher Wein, den Esclarmonde ihr an- bot, und hörte zu, während Simeon weiter mit Esclarmonde sprach. Die Nähe und Ungezwungenheit zwischen ihnen war bereits deutlich spürbar.
    Er konnte vorzüglich erzählen, verknüpfte Episoden aus seinem Leben in Chartres und Beziers mit Erinnerungen an sein Leben im Heiligen Land. Die Zeit verging wie im Fluge, während er die Berge Judäas im Frühling beschrieb, ihnen von den Ebenen von Sephal erzählte, die mit Lilien, gelben und lila Iris und rosa blühenden Mandelbäumen bedeckt waren wie mit einem Teppich, der sich bis zum Ende der Welt erstreckte. Alaïs lauschte gebannt.
    Die Schatten wurden länger. Und allmählich veränderte sich die Atmosphäre, ohne dass es Alaïs richtig wahrnahm. Sie spürte nur ein nervöses Flattern im Magen, eine angespannte Erwartung. Sie fragte sich, ob Guilhem oder ihr Vater am Vorabend einer Schlacht dieses Gefühl empfanden. Als ob die Zeit aufgehoben wäre.
    Sie schaute zu Esclarmonde hinüber, die die Hände im Schoß gefaltet hatte und eine heitere Gelassenheit verströmte.
    »Mein Vater kommt bestimmt bald«, sagte sie, weil sie sich dafür verantwortlich fühlte, dass er noch immer nicht da war. »Er hat mir sein Wort gegeben.«
    »Das wissen wir«, sagte Simeon und tätschelte ihre Hand. Seine Haut war trocken wie Pergament.
    »Aber sehr viel länger können wir vielleicht nicht warten«, sagte Esclarmonde mit einem Blick auf die Tür, die unerbittlich geschlossen blieb. »Die Besitzer dieses Hauses werden bald zurückkommen.«
    Alaïs bemerkte, dass die beiden einen Blick wechselten. Sie hielt die Anspannung nicht länger aus und beugte sich vor. »Esclarmonde, gestern

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