Das Verlorene Labyrinth
Augen. »Ich verstehe, dass du den Vicomte Trencavel in dieser schweren Zeit nicht im Stich lassen willst. Das hast du gesagt, wir akzeptieren es. Aus dir spricht dein Gewissen, wohl oder übel.« Er hielt kurz inne. »Dennoch, wenn du nicht gehst, dann muss es jemand anderer für dich tun.«
Alaïs sah, wie ihr Vater sich quälte, seine widersprüchlichen Gefühle miteinander in Einklang zu bringen. Gerührt streckte sie die Hand aus und legte sie auf seine. Er sagte nichts, aber er dankte ihr für die Geste, indem er den Druck kurz erwiderte. »Aquo es vostre«, sagte sie leise. Lasst mich das für Euch tun. Pelletier stieß einen langen, tiefen Seufzer aus. »Du bringst dich in große Gefahr, Filha.« Alaïs nickte. »Und du möchtest es trotzdem tun?«
»Es ist eine Ehre, Euch auf diese Weise zu dienen.«
Simeon legte Pelletier eine Hand auf die Schulter. »Sie ist tapfer, deine Tochter. Standhaft. Wie du, mein alter Freund.«
Alaïs wagte kaum zu atmen.
»Mein Herz ist dagegen«, sagte Pelletier schließlich. »Mein Kopf jedoch sagt etwas anderes, also ...«Er hielt inne, als graute ihm vor dem, was er jetzt sagen würde. »Wenn dein Gemahl und Dame Agnès dir die Erlaubnis geben - und wenn Esclarmonde als Anstandsdame mitreist -, dann erlaube ich es.«
Alaïs beugte sich über den Tisch und küsste ihren Vater auf den Mund.
»Du hast weise entschieden«, sagte Simeon strahlend.
»Wie viele Männer könnt Ihr für uns entbehren, Intendant Pelletier?«, fragte Esclarmonde.
»Vier Bewaffnete, höchstens sechs.«
»Und wie bald können alle Vorbereitungen getroffen sein?« »Innerhalb einer Woche«, entgegnete Pelletier. »Zu schnelles Handeln würde Verdacht erregen. Ich muss die Erlaubnis von Dame Agnès einholen und du von deinem Gemahl, Alaïs .« Sie öffnete den Mund, um zu sagen, dass Guilhem ihre Abwesenheit wohl kaum bemerken würde, überlegte es sich dann aber anders. »Wenn dein Plan gelingen soll, Filha, müssen wir die Etikette einhalten.« Jede Spur von Unentschlossenheit war aus seinem Gesicht und seiner Haltung gewichen, als er aufstand, um sich zu verabschieden. » Alaïs , kehre ins Chateau Comtal zurück und suche François. Berichte ihm von unserem Vorhaben, in knappen Worten, und sage ihm, er soll sofort zu mir kommen.« »Kommt Ihr nicht mit?«
»Ich komme gleich nach.«
»Wohl denn. Soll ich Esclarmondes Buch mitnehmen?« Pelletier lächelte gequält. »Da Esclarmonde dich begleiten wird, Alaïs, bin ich sicher, dass das Buch noch ein Weilchen länger bei ihr in guten Händen ist.«
»Ich wollte damit nicht sagen ...«
Pelletier klopfte auf den Beutel unter seinem Mantel. »Aber Simeons Buch wirst du mitnehmen.« Er griff unter den Mantel und holte das Schafslederfutteral hervor, das Alaïs in Besièrs kurz gesehen hatte, als Simeon es ihrem Vater gegeben hatte. »Bring es ins Château. Nähe es in deinen Reisemantel ein. Das Buch der Wörter werde ich später holen.«
Alaïs nahm das Buch und schob es in ihren Beutel, dann hob sie die Augen und sah ihren Vater an. »Ich danke Euch, Paire, für Euer Vertrauen in mich.«
Pelletier wurde rot. Sajhë sprang hastig auf. »Ich pass auf, dass Dame Alaïs sicher nach Hause kommt«, sagte er. Alle lachten. »Tu das, gentilöme«, sagte Pelletier und klopfte ihm auf den Rücken. »All unsere Hoffnungen ruhen auf ihren Schultern.«
»Ich sehe deine guten Eigenschaften in ihr«, sagte Simeon, als sie zu dem Tor gingen, das aus Sant-Miquel ins jüdische Viertel dahinter führte. »Sie ist mutig, hartnäckig, treu. Sie gibt nicht leicht auf. Hat deine älteste Tochter auch so viel von dir?«
»Oriane kommt mehr nach ihrer Mutter«, sagte er knapp. »Sie hat Marguerites Aussehen und ihr Temperament.«
»Das ist häufig so. Manchmal ähnelt ein Kind dem einen Elternteil, manchmal dem anderen.« Simeon zögerte. »Sie ist mit dem escrivain von Vicomte Trencavel verheiratet?«
Pelletier seufzte. »Es ist keine glückliche Ehe. Congost ist nicht mehr jung und hat kein Verständnis für sie. Aber er ist immerhin ein angesehener Mann am Hof.«
Sie gingen schweigend einige Schritte weiter. »Wenn sie Mar guerites Aussehen hat, muss sie schön sein.«
»Oriane hat Liebreiz und Anmut und findet viel Bewunderung. Viele Männer würden gern um ihre Gunst werben. Und einige machen keinen Hehl daraus.«
»Deine Töchter sind dir gewiss ein großer Trost.«
Pelletier warf Simeon einen Blick zu. » Alaïs , ja.« Er stockte. »Ich muss sagen, die
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