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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Wie eine heranbrausende Flutwelle, die sich am Ufer bricht, stürmten die Kreuzfahrer durch die Festungsanlagen und rissen Teile der Mauern ein.
    Trencavel und seine chevaliers versuchten verzweifelt, den Zugang zum Fluss zu halten, doch es war hoffnungslos. Der Vicomte ließ zum Rückzug blasen.
    Das Jubelgeschrei der Franzosen gellte ihnen in den Ohren, als die schweren Tore der Porte de Rodez geöffnet wurden, um die
    Überlebenden zurück in die Cité zu lassen. Während Trencavel seine besiegten Männer durch die Straßen ins Château Comtal zurückführte, starrte Alaïs entsetzt auf die Verwüstung und Zerstörung, die sich ihr darbot. Sie hatte den Tod schon oft gesehen, aber nicht in diesem gewaltigen Ausmaß, und sie fühlte sich wie beschmutzt von der Wirklichkeit des Krieges, seiner sinnlosen Vernichtungskraft.
    Und betrogen. Jetzt erkannte sie, wie verlogen die chansons de gestes waren, die sie als Kind so geliebt hatte. Der Krieg war nicht heldenhaft. Er brachte nur den Tod.
     
    Alaïs stieg von den Zinnen herab in den Hof und ging zu den anderen Frauen, die am Tor warteten, betete, dass Guilhem unter den Rückkehrern sein würde.
    Sei unverletzt.
    Endlich hörte sie Hufe über die Brücke poltern. Alaïs entdeckte ihn sofort, und Erleichterung durchfuhr sie. Sein Gesicht und seine Rüstung waren mit Blut und Asche besudelt, seine Augen spiegelten die Wildheit der Schlacht, aber er war unversehrt. »Euer Gemahl hat kühn gekämpft, Dame Alaïs«, sagte Vicomte Trencavel, als er sie bemerkte. »Er hat den Feinden große Verluste zugefügt und vielen Kameraden das Leben gerettet. Wir sind dankbar für sein Geschick und seinen Mut.« Alaïs wurde rot. »Sagt mir, wo ist Euer Vater?«
    Sie zeigte zur nordöstlichen Ecke des Hofes. »Wir haben die Schlacht von den ambans aus beobachtet, Messire.«
    Guilhem war abgestiegen und reichte seinem écuyer die Zügel. Alaïs trat schüchtern zu ihm, unsicher, wie er sie begrüßen würde. »Messire.«
    Er nahm ihre blasse weiße Hand und führte sie an seine Lippen. »Thierry ist schwer verwundet«, sagte er mit tonloser Stimme. »Sie bringen ihn gerade her.«
    »Messire, das tut mir Leid.«
    »Wir waren wie Brüder«, fuhr er fort. »Zusammen mit Alzeu.
    Vom Alter her liegen wir nur knapp einen Monat auseinander. Wir sind immer füreinander eingetreten, haben gearbeitet, um unsere Kettenhemden und Schwerter zu bezahlen. Wir wurden am selben Osterfest zum Ritter geschlagen.«
    »Ich weiß«, sagte sie leise und zog seinen Kopf zu ihrem herunter. »Kommt, lasst mich Euch helfen, dann werde ich sehen, was ich für Thierry tun kann.«
    Sie sah Tränen in seinen Augen glitzern. Rasch sprach sie weiter, weil sie wusste, er würde nicht wollen, dass sie ihn weinen sah. »Jetzt kommt«, drängte sie sanft. »Führt mich zu ihm.«
     
    Thierry war in den Großen Saal getragen worden, zusammen mit all den anderen Schwerverwundeten. Die sterbenden oder verletzten Männer lagen in Dreierreihen. Alaïs und die anderen Frauen taten, was sie konnten. Sie hatte sich das Haar zu einem Zopf geflochten, der ihr über die Schulter hing, und sah wieder fast aus wie ein Kind.
    Die Stunden vergingen, die Luft in dem überfüllten Raum war schier unerträglich und die Fliegen eine immer größere Qual. Die meiste Zeit arbeiteten Alaïs und die anderen Frauen schweigend und mit ruhiger Entschlossenheit, wohl wissend, dass es bis zum nächsten Angriff nur eine kleine Atempause geben würde. Priester nahmen die Beichte ab, erteilten die Letzte Ölung. Im Schutz ihrer schwarzen Kutten erteilten zwei parfaits den gläubigen Katharern das consolament.
    Thierry hatte tatsächlich schwere Verletzungen erlitten. Sein Knöchel war gebrochen, und eine Lanze hatte seinen Oberschenkel durchbohrt und den Knochen zertrümmert. Alaïs wusste, dass er schon zu viel Blut verloren hatte, doch Guilhem zuliebe tat sie alles, was in ihrer Macht stand. Sie erhitzte einen Sud aus Beinwellwurzeln und -blättern in heißem Wachs und benutzte ihn, sobald er abgekühlt war, für eine Kompresse.
    Dann ließ sie Guilhem mit seinem Freund allein und widmete sich denen, die die besten Überlebensaussichten hatten. Sie löste ein Pulver aus Brustwurzblättern in Distelextrakt auf und bereitete daraus eine Medizin, die sie in Eimern von Küchenjungen in den Großen Saal bringen ließ und allen Verletzten einflößte, die noch schlucken konnten. Wenn es ihr gelang, die Entzündungen einzudämmen, und wenn das Blut rein

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