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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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gehofft, wenn das alles vorbei wäre, dass wir dann vielleicht wieder ... Aber sie hat ja Euch gefunden. Und jetzt ...« Guilhems Stimme brach. Seine Augen waren voller Tränen, brannten in der Kälte. Er spürte neben sich, dass Sajhë unruhig wurde. Einen Moment lang schien sich das Licht zwischen ihnen zu verändern.
    »Verzeiht mir, dass ich vor Euch die Fassung verliere.« Er atmete tief durch. »Die Prämie, die Oriane auf Alaïs ' Kopf ausgesetzt hatte, war hoch und selbst für jene verlockend, die keinen Grund hatten, ihr Übles zu wünschen. Ich habe Orianes Spitzel bezahlt, damit sie ihr falsche Informationen lieferten. So habe ich dreißig Jahre lang mitgeholfen, dass sie ungestört leben konnte.« Wieder stockte Guilhem. Das Bild des brennenden Buches vor dem verkohlten roten Mantel drängte sich wie ein unwillkommener Gast in seine Gedanken.
    »Ich wusste nicht, dass ihr Glaube so stark war«, sagte er. »Oder dass ihr Vorsatz, das Buch der Wörter vor Orianes Zugriff zu bewahren, sie so weit treiben würde.«
    Er schaute Sajhë an, versuchte die Wahrheit zu erkennen, die in seinen Augen stand.
    »Ich wünschte, sie hätte sich nicht für den Tod entschieden«, sagte er einfach. »Ich wünschte es für Euch, den Mann, den sie erwählt hat, und für mich, den Narr, der ihre Liebe einst besaß und sie verlor.« Er zögerte. »Doch am meisten für ihre Tochter. Zu wissen, dass Alaïs ...«
    »Warum helft Ihr uns?«, unterbrach Sajhë ihn. »Warum seid Ihr hergekommen?«
    »Nach Montsegur?«
    Sajhë schüttelte ungeduldig den Kopf. »Nicht nach Montsegur. Hierher. Jetzt.«
    »Rache«, sagte Guilhem.

Kapitel 79
     
    Alaïs wachte mit einem Ruck auf. Sie war steif und kalt. Ein zartes, purpurnes Licht zog sich mit dem Morgengrauen über die graue und grüne Landschaft. Dünner weißer Nebel hing in den Rinnen und Spalten des Berges, schweigend und reglos.
    Sie schaute zu Harif hinüber. Er schlief friedlich, hatte sich den pelzgefütterten Mantel bis zu den Ohren hochgezogen. Sie waren seit einem Tag und einer Nacht unterwegs, und die Reise setzte ihm zu.
    Stille lag schwer auf dem Berg. Trotz der Kälte in den Knochen und obwohl sie sich wie zerschlagen fühlte, genoss Alaïs die Einsamkeit nach den langen Monaten in der überfüllten Enge von Montsegur. Ganz leise, um Harif nicht zu stören, stand sie auf und reckte sich, griff dann in eine der Satteltaschen, um ein Stück Brot abzubrechen. Es war hart wie Holz. Sie füllte einen Becher mit dem starken Rotwein hier aus den Bergen, der fast zu kalt zum Trinken war. Sie tunkte das Brot, um es einzuweichen, und aß dann rasch, bevor sie den anderen etwas zu essen machte.
    Sie wagte es kaum, an Bertrande und Sajhë zu denken, sich die Frage zu stellen, wo sie in diesem Augenblick wohl waren. Noch im Lager? Zusammen oder getrennt?
    Der Ruf einer Schleiereule, die von der nächtlichen Jagd zurückkehrte, durchschnitt die Luft. Sie lächelte, beruhigt von den vertrauten Lauten. Tiere raschelten im Unterholz, jähes Huschen von Krallen und blitzenden Zähnen. Im Wald, weiter unten im Tal, heulten Wölfe. Es erinnerte sie daran, dass die Welt weiter ihren Lauf nahm, dass die Jahreszeiten ihrem alten Wechsel folgten, unabhängig von ihr.
    Sie weckte die beiden Führer und sagte ihnen, dass das Essen fertig war, dann ging sie mit den Pferden zum Bach und brach das Eis mit dem Heft ihres Schwertes auf, damit sie trinken konnten. Als das Licht stärker wurde, ging sie zu Harif, um ihn zu wecken. Sie flüsterte ihm Worte in seiner Sprache zu und legte ihm sacht eine Hand auf den Arm. In letzter Zeit hatte er oft Schmerzen, wenn er aufwachte.
    Harif schlug die tief liegenden braunen Augen auf, die im Alter blass geworden waren.
    »Bertrande?«
    »Ich bin's, Alaïs «, sagte sie leise.
    Harif blinzelte, verwundert, sich an diesem grauen Berghang wiederzufinden. Alaïs vermutete, dass er wieder von Jerusalem geträumt hatte, von den anmutig geschwungenen Moscheen und dem Ruf, der die gläubigen Sarazenen zum Gebet lockte, von seinen Reisen über das endlose Meer der Wüste.
    Während ihrer gemeinsamen Jahre hatte Harif ihr von den aromatischen Gewürzen erzählt, den strahlenden Farben und dem pfeffrigen Geschmack des Essens, dem schrecklichen Leuchten der blutroten Sonne. Er hatte ihr geschildert, wie er die vielen, vielen Jahre seines langen Lebens genutzt hatte. Er hatte von dem Propheten berichtet und der alten Stadt Avaris, seiner ersten Heimat. Er hatte ihr

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