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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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in einer sehr schlechten Verfassung. Audric fürchtete, dass sie sterben würde, wenn sie nicht bald ärztlich versorgt wurde.
    »Lassen Sie die Taschenlampe da liegen«, befahl Marie-Cécile. »Kommen Sie hierher, wo ich Sie sehen kann.«
    Langsam drehte Audric sich um und trat von dem Podest hinter dem Altar.
    Sie hielt eine Öllampe in der einen Hand, eine Pistole in der anderen. Sein erster Gedanke war, wie groß die Ähnlichkeit war. Die gleichen grünen Augen, das schwarze Haar, das sich um das schöne, strenge Gesicht lockte. Mit dem goldenen Kopfschmuck und der Halskette, den Goldreifen an den Oberarmen, dem schlanken, groß gewachsenen Körper in der weißen Robe sah sie aus wie eine ägyptische Prinzessin.
    »Sind Sie allein gekommen, Madame?«
    »Ich halte es nicht für nötig, überall in Begleitung aufzutauchen, Monsieur, außerdem ...«
    Er blickte auf ihre Pistole. »Sie glauben nicht, dass ich Ihnen Schwierigkeiten machen werde.« Er nickte. »Ich bin schließlich alt, oc?« Dann fügte er hinzu. »Aber Sie wollen auch nicht, dass irgendjemand mithört.«
    Der Hauch eines Lächelns umspielte ihre Lippen. »Geheimhaltung bedeutet Stärke.«
    »Der Mann, der Sie das gelehrt hat, ist tot, Madame.«
    Schmerz glomm in ihren Augen auf. »Sie kannten meinen Großvater?«
    »Ich hörte von ihm«, entgegnete er.
    »Er hat mir vieles beigebracht. Ziehe niemanden ins Vertrauen. Vertraue keinem.«
    »Ein einsames Leben, Madame.«
    »Das sehe ich nicht so.«
    Sie war um ihn herumgegangen, umkreiste ihn wie ein Raubtier, das sich an seine Beute heranpirscht, bis sie dem Altar den Rücken zuwandte und in der Mitte der Kammer stand, nahe der Senke im Boden.
    Das Grab, dachte er. Das Grab, in dem die Skelette gefunden wurden.
    »Wo ist sie?«, wollte Marie-Cecile wissen.
    Er antwortete nicht. »Sie sind Ihrem Großvater sehr ähnlich. Charakterlich, äußerlich und auch mit Ihrer Hartnäckigkeit. Außerdem sind Sie, genau wie er, im Irrtum.«
    Zorn huschte über ihr Gesicht. »Mein Großvater war ein großer Mann. Er hat den Gral verehrt. Er hat sein Leben der Suche nach dem Buch der Wörter gewidmet, um ihn noch besser verstehen zu können.«
    »Verstehen, Madame? Oder ausnutzen?«
    »Sie wissen gar nichts über ihn.«
    »Oh doch, das tue ich«, sagte er leise. »Menschen ändern sich nicht allzu sehr.« Er zögerte. »Und er war so nah dran, nicht wahr?«, fuhr er fort und senkte die Stimme noch mehr. »Ein paar Kilometer weiter westlich, und er hätte die Höhle gefunden. Nicht Sie.«
    »Das spielt jetzt keine Rolle mehr«, sagte sie hitzig. »Er gehört uns.«
    »Der Gral gehört niemandem. Er ist kein Gegenstand, den man besitzen oder manipulieren oder mit dem man Geschäfte machen kann.«
    Audric schwieg kurz. Im Licht der Öllampe, die auf dem Altar brannte, sah er ihr direkt in die Augen.
    »Er hätte ihn nicht gerettet«, sagte er.
    Er hörte, wie sie scharf die Luft einsog.
    »Das Elixier heilt und verlängert das Leben. Es hätte ihn am Leben erhalten.«
    »Es hätte ihn nicht von der Krankheit befreit, die ihm das Fleisch von den Knochen fraß, Madame, genauso wenig wie es Ihnen das verschaffen wird, was Sie begehren.« Er hielt inne. »Für Sie wird der Gral nicht kommen.«
    Sie machte einen Schritt auf ihn zu. »Das hoffen Sie, Baillard, aber Sie sind sich nicht sicher. Trotz Ihres ganzen Wissens, Ihrer Forschung, wissen Sie nicht, was geschehen wird.«
    »Sie irren sich.«
    »Das ist Ihre Chance, Baillard. Nach all den Jahren, die Sie geschrieben, geforscht und gegrübelt haben. Genau wie ich haben Sie Ihr Leben diesem Augenblick gewidmet. Sie wollen es erleben, genauso sehr wie ich es will.«
    »Und wenn ich mich weigere?«
    Sie lachte jäh auf. »Ach, kommen Sie. Die Frage ist doch wohl überflüssig. Mein Sohn wird sie töten, das wissen Sie. Wie er das macht - und wie lange es dauert -, liegt ganz bei Ihnen.«
    Trotz der Vorsichtsmaßnahmen, die er ergriffen hatte, lief es ihm kalt über den Rücken. Falls Alice wie versprochen blieb, wo sie war, bestand kein Grund zur Sorge. Sie war in Sicherheit. Es würde vorbei sein, ehe sie überhaupt begriff, was vor sich ging. Erinnerungen an Alaïs - auch an Bertrande - drängten sich ihm in den Sinn. Das ungestüme Wesen der beiden, ihr Widerwillen, irgendwelchen Befehlen zu gehorchen, ihr verwegener Mut. War Alice aus demselben Holz geschnitzt?
    »Es ist alles bereit«, sagte Marie-Cecile. »Das Buch der Arzneien und das Buch der Zahlen sind hier. Also

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