Das Verlorene Labyrinth
war.
Eine Pelzkapuze umrahmte ihr Gesicht, und ihr Reitmantel, schmutzig von dem langen Ritt, glitt über den weißen, frostigen Boden. Ihre Hände steckten in warmen Lederhandschuhen und waren vor dem Körper gefaltet.
»Lass sie los, Oriane.«
Ihre Worte brachen den Bann.
»Mama«, schrie Bertrande und streckte verzweifelt die Arme aus.
»Das kann nicht sein ...«, sagte Oriane und kniff die Augen zusammen. »Du bist tot. Ich habe gesehen, wie du gestorben bist.« Sajhë machte einen weiteren Versuch, Bertrande zu befreien, aber er war wieder nicht schnell genug.
»Keinen Schritt näher«, rief Oriane und gewann die Fassung zurück. Sie zerrte Bertrande nach hinten auf den Höhleneingang zu. »Ich bring sie um, das schwöre ich.«
»Mama!«
»Das kann nicht sein ... ich hab dich doch sterben sehen.«
Alaïs machte einen Schritt nach vorn. »Lass sie los, Oriane. Es geht dir doch um mich.«
»Nicht um dich, Schwester. Du hast das Buch der Wörter. Allein darum geht es mir. Ce n'est pas difficile.«
»Und wenn du es dann hast?«
Guilhem war wie gelähmt. Er wollte seinen Augen noch immer nicht trauen, dass das wirklich Alaïs war, wie er sie sich so oft erträumt hatte, wenn er wach war oder schlief.
Eine Bewegung erregte seine Aufmerksamkeit, das Funkeln von stählernen Helmen. Guilhem spähte in die Richtung. Zwei Soldaten schlichen sich durch das Buschwerk von hinten an Alaïs heran. Und von links hörte er das Geräusch eines Stiefels auf Stein.
»Ergreift sie!«
Der Soldat, der Sajhë am nächsten war, packte seine Arme und hielt ihn fest, während die anderen aus der Deckung hervorbrachen. Blitzschnell zog Alaïs ihr Schwert, wirbelte herum und stieß die Klinge in die Seite des Soldaten, der als Erster bei ihr
war. Er fiel. Der andere Soldat stürzte sich auf sie. Funken sprühten, als die Klingen wirbelnd aufeinander prallten.
Alaïs hatte den Vorteil, etwas höher zu stehen, aber sie war kleiner und schwächer.
Guilhem sprang aus seinem Versteck und rannte zu ihr, doch genau in dem Augenblick strauchelte sie und fiel. Der Soldat machte einen Satz nach vorn und stieß ihr die Klinge in den Arm. Alaïs schrie auf, ließ das Schwert fallen und presste den Handschuh auf die blutende Wunde.
»Mama!«
Guilhem hechtete die letzten Meter nach vorn und rammte sein Schwert in den Bauch des Mannes. Blut schoss dem Getroffenen aus dem Mund. Die Augen traten ihm vor Schreck aus den Höhlen, dann fiel er.
Guilhem blieb keine Zeit, Atem zu schöpfen.
»Guilhem!«, schrie Alaïs . »Achtung.«
Er fuhr herum und sah zwei weitere Soldaten den Hang heraufkommen. Mit einem Knurren zog er sein Schwert aus dem am Boden Liegenden und ging auf sie los. Die Klinge zischte durch die Luft, als er sie mit wilden, gnadenlosen Hieben zurücktrieb. Er war der bessere Schwertkämpfer, aber sie waren zu zweit. Sajhë war jetzt gefesselt und lag auf den Knien. Einer der Soldaten bewachte ihn, die Spitze seines Messers an Sajhë s Nacken, während der andere seine Kameraden gegen Guilhem unterstützte. Er kam in Alaïs ' Reichweite. Obwohl sie viel Blut verloren hatte, schaffte sie es mit letzter Kraft, ihr Messer aus dem Gürtel zu ziehen und zuzustechen. Der Mann brüllte auf, als ihm die Klinge tief in den Oberschenkel drang.
Blind vor Schmerz schlug er um sich. Guilhem sah, wie Alaïs nach hinten flog und mit dem Kopf gegen einen Felsen schlug. Sie versuchte stehen zu bleiben, aber sie war benommen, taumelte, und die Beine gaben unter ihr nach. Sie sank zu Boden. Blut strömte aus einer Platzwunde an ihrem Kopf.
Der Soldat, in dessen Bein noch immer das Messer steckte, kam wie ein verwundeter, gehetzter Bär schwerfällig auf Guilhem zu. Guilhem sprang zurück, um ihm auszuweichen, und rutschte auf dem schlüpfrigen Boden aus. Geröll prasselte den Hang hinunter. Die beiden anderen nutzten die Gelegenheit aus. Sie stürzten sich auf ihn, rissen ihn zu Boden und pressten ihm das Gesicht nach unten.
Er spürte eine Rippe brechen, als ein Stiefel ihn in die Seite traf. Er zuckte vor Schmerzen, als er den nächsten Tritt abbekam. Er schmeckte Blut.
Alaïs gab keinen Laut von sich. Reglos lag sie da.
Dann hörte er Sajhë schreien. Guilhem hob den Kopf und sah gerade noch, wie Sajhë von seinem Bewacher mit der flachen Schwertseite seitlich am Kopf getroffen wurde und bewusstlos umkippte.
Oriane war inzwischen mit Bertrande in der Höhle verschwunden.
Brüllend brachte Guilhem seine letzten Kräfte auf und stemmte
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