Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
Vom Netzwerk:
sicher, dass sie so etwas Ähnliches schon einmal irgendwo gesehen hatte, aber sie konnte die Erinnerung nicht fassen, die sich weiter im Dunkeln versteckt hielt. Sie wusste nicht einmal mehr, woher sie das Brett überhaupt hatte. Es wollte ihr nicht einfallen, und schließlich gab sie es auf.
    Alaïs rief ihre Dienerin Severine, damit sie im Zimmer sauber machte. Danach widmete sie sich den Pflanzen, die sie morgens im Fluss gesammelt hatte, um nicht ständig daran zu denken, was wohl im Großen Saal vor sich ging.
    Sie hätte sich früher um die Pflanzen kümmern müssen. Die Leinenstreifen waren getrocknet, die Wurzeln brüchig, und die Blüten hatten ihre Feuchtigkeit schon fast ganz verloren. In der Hoffnung, doch noch ein wenig retten zu können, besprenkelte Alaïs den panier mit Wasser und machte sich an die Arbeit. Doch während sie die Wurzeln zerstieß und die Blüten in kleine Duftsäckchen einnähte, während sie die Tinktur für Jacques' Bein zubereitete, schweifte ihr Blick immer wieder zu dem Holzbrett, das stumm auf dem Tisch vor ihr lag und sich weigerte, sein Geheimnis preiszugeben.
     
    Guilhems Mantel flatterte ihm störend um die Knie, als er über den Hof eilte und über sein Pech schimpfte, ausgerechnet heute ertappt worden zu sein.
    Es war ungewöhnlich, dass chevaliers am Rat teilnahmen. Die Tatsache, dass er nicht in den donjon, sondern in den Großen Saal bestellt worden war, ließ etwas Ernstes vermuten.
    Sagte Pelletier die Wahrheit? Hatte er wirklich früher am Morgen einen Boten zu Guilhems Schlafgemach geschickt? Er wusste es nicht. Was, wenn François da gewesen war und ihn nicht vorgefunden hatte? Was würde Pelletier wohl dazu sagen?
    So oder so, am Ende lief es auf eines hinaus. Er steckte in Schwierigkeiten.
    Die schwere Tür zum Großen Saal stand offen. Guilhem hastete die Stufen hinauf, immer zwei auf einmal nehmend.
    Als sich seine Augen an die Dunkelheit im Gang gewöhnt hatten, sah er die unverkennbare Silhouette seines Schwiegervaters vor dem Eingang zum Saal stehen. Guilhem holte tief Luft und ging weiter, den Kopf gesenkt. Pelletier hob einen Arm und versperrte ihm den Weg.
    »Wo bleibt Ihr denn?«, fragte er.
    »Verzeiht, Messire.«
    Pelletiers Gesicht war bedrohlich dunkelrot. »Wie könnt Ihr es wagen, Euch zu verspäten?«, sagte er mit stählerner Stimme. »Denkt Ihr, Befehle gelten für Euch nicht? Dass Ihr ein so ruhmreicher chevalier seid, dass Ihr kommen und gehen könnt, wie es Euch beliebt, und nicht wie Euer Seigneur es von Euch erwartet?«
    » Messire , ich schwöre bei meiner Ehre, wenn ich frühzeitig gewusst hätte ...«
    Pelletier stieß ein bitteres Lachen aus. »Eure Ehre«, sagte er wütend und stieß Guilhem gegen die Brust. »Verkauft mich nicht für dumm, du Mas. Ich habe meinen Diener in Eure Gemächer gesandt, um Euch persönlich die Nachricht zu überbringen. Ihr hattet reichlich Zeit, Euch bereitzumachen. Und doch muss ich selbst kommen und Euch holen. Und finde Euch im Bett!« Guilhem öffnete den Mund, schloss ihn dann wieder. Er sah, wie sich in Pelletiers Mundwinkeln und in den grauen Barthaaren Speicheltropfen sammelten.
    »Nun seid Ihr wohl nicht mehr ganz so selbstherrlich! Was, habt Ihr nichts zu sagen? Ich warne Euch, du Mas, die Tatsache, dass Ihr mit meiner Tochter verheiratet seid, wird mich nicht daran hindern, an Euch ein Exempel zu statuieren.«
    »Sire, ich habe ...«
    Ohne Vorwarnung rammte ihm Pelletier die Faust in den Magen.
    Es war kein harter Schlag, aber doch kräftig genug, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen.
    Überrumpelt taumelte Guilhem rückwärts gegen die Wand. Sogleich schloss sich Pelletiers kräftige Hand um seinen Hals, presste seinen Kopf nach hinten gegen den Stein. Aus den Augenwinkeln sah Guilhem, dass der sirjan an der Tür sich vorbeugte, um besser sehen zu können.
    »Habe ich mich klar ausgedrückt?«, spuckte Pelletier ihm ins Gesicht und drückte etwas fester zu. Guilhem bekam kein Wort heraus. »Ich höre nichts, gojat«, sagte Pelletier. »Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    Diesmal gelang es Guilhem, die Worte herauszuwürgen. »Oc, Messire.«
    Er spürte, wie er dunkelrot anlief. Das Blut hämmerte ihm im Kopf. »Ich warne Euch, du Mas. Ich beobachte Euch. Ich warte. Und wenn Ihr nur einen falschen Schritt macht, werdet Ihr es bereuen. Haben wir uns verstanden?«
    Guilhem rang nach Luft. Er konnte nur unter Mühen nicken, wobei seine Wange über die raue Maueroberfläche schabte, dann versetzte

Weitere Kostenlose Bücher