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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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geweigert, ihn zurückzulassen, nachdem das Haus, in dem sie sich zum Gebet versammelt hatten, von einer kleinen Gruppe marodierender Soldaten, die sich von der französischen Armee abgesetzt hatte, überfallen worden war.
    Aber durch den Verwundeten kamen sie nur langsam voran, wodurch sie den Vorteil, dass sie sich gut in der Gegend auskannten, eingebüßt hatten. Den ganzen Tag lang hatten die Kreuzfahrer sie gejagt. Auch die Nacht hatte sie nicht gerettet, und nun saßen sie in der Falle. Die Katharer hörten die Rufe der Soldaten draußen im Hof, das Geräusch von trockenem Holz, das Feuer fing. Sie bereiteten einen Scheiterhaufen vor.
    Der parfait wusste, dass ihr Ende gekommen war. Sie hatten keine Gnade zu erwarten von diesen Männern, die von Hass und Ignoranz und Bigotterie getrieben wurden. Eine solche Armee hatte es auf christlichem Boden nie zuvor gegeben. Der parfait hätte es nicht geglaubt, wenn er sie nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Er war in südlicher Richtung unterwegs gewesen, auf einem Weg parallel zu dem des Kreuzheeres. Er hatte die riesigen und schwerfälligen Kähne gesehen, die die Rhône hinabtrieben, beladen mit Ausrüstung und Nachschub sowie durch Stahlbänder gesicherte Holztruhen, die kostbare heilige Reliquien enthielten, um den Feldzug zu segnen. Die Hufe von Tausenden von Pferden, die von ihren Reitern am Ufer angetrieben wurden, wirbelten eine gewaltige Staubwolke auf, die über dem Kreuzheer schwebte.
    Von Anfang an hatten Städter und Dorfbewohner ihre Tore verschlossen, sich hinter ihren Mauern verschanzt und gebetet, dass die Armee an ihnen vorüberziehen möge. Immer brutalere und grausamere Geschichten machten die Runde. Es wurde von niedergebrannten Bauernhöfen berichtet, als Strafe für Bauern, die sich geweigert hatten, ihr Land von den Soldaten plündern zu lassen. In Puylaroque hatte man katharische Gläubige, die als Häretiker denunziert worden waren, auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die gesamte jüdische Gemeinde von Montélimar - Männer, Frauen und Kinder - war enthauptet worden. Die blutigen Köpfe hatte man außerhalb der Stadtmauern aufgespießt und den Krähen zum Fraß überlassen.
    In Saint-Paul de Trois Châteaux hatte eine kleine Schar von routiers aus der Gascogne einen parfait an ein hastig zusammengezimmertes Kreuz gebunden und ihm Nägel durch die Hände geschlagen. Das Gewicht seines Körpers zog ihn nach unten, doch er weigerte sich standhaft, seinem Glauben abzuschwören. Als sein langsames Sterben den Soldaten schließlich zu langweilig wurde, schlitzten sie ihm den Bauch auf und ließen ihn einfach hängen.
    Diese und andere Gräuel wurden vom Abt von Cîteaux und von den französischen Baronen entweder abgestritten oder aber als das Werk einiger weniger Renegaten abgetan. Doch während der parfait in der dunklen Scheune kauerte, wusste er, dass die Worte der Herren, Priester und päpstlichen Legaten hier draußen nichts zählten. Er konnte die Blutgier im Atem der Männer wittern, die sie in diese kleine Ecke der irdischen Schöpfung des Teufels gejagt hatten.
    Er erkannte das Böse.
    Jetzt konnte er nur noch versuchen, die Seelen seiner Gläubigen zu retten, damit sie das Angesicht Gottes schauen konnten. Ihr Übergang von dieser Welt in die nächste würde nicht sanft sein. Der Verwundete war noch bei Bewusstsein. Er wimmerte leise, aber eine letzte Ruhe war über ihn gekommen, und seine Haut zeigte bereits die graue Farbe des Todes. Der parfait legte seine Hände auf den Kopf des Mannes, als er die letzten Riten ihres Glaubens vollzog und die Worte des consolament sprach.
    Die übrigen Gläubigen fassten sich reihum an den Händen und begannen zu beten.
    »Heiliger Vater, gerechter Gott guten Geistes, der Du niemals betrogen wirst, der Du niemals lügst oder zweifelst, gewähre uns die Gnade ...«
    Die Soldaten traten jetzt gegen die Tür, lachten und höhnten. Bald würden sie die Scheune stürmen. Die jüngste der Frauen, kaum mehr als vierzehn Jahre alt, fing an zu weinen. Die Tränen rannen ihr hoffnungslos, lautlos über die Wangen.
    »... gewähre uns die Gnade, das zu wissen, was Du weißt, das zu lieben, was Du liebst. Denn wir sind nicht von dieser Welt, und die Welt ist nicht von uns, und unsere Furcht ist es, den Tod in diesem Reich eines fremden Gottes zu erdulden.«
    Der parfait hob die Stimme, als der Querbalken, der die Tür geschlossen hielt, in der Mitte durchbrach. Holzsplitter scharf wie Pfeilspitzen prasselten in

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