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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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zusammen und fuhr herum, wenn sie eine Stimme hörte.
    Erst als Amiel fertig war, holte Alaïs ihr Schwert unter dem Mantel hervor.
    »Die Klinge ist stumpf«, sagte sie.
    Ihre Blicke trafen sich. Ohne ein Wort nahm Amiel das Schwert und ging damit zum Amboss in der Schmiede. Das Feuer dort wurde Tag und Nacht von Jungen in Gang gehalten, die kaum groß genug waren, die schweren, stacheligen Reisigbündel von einer Seite des Raumes zur anderen zu tragen.
    Alaïs beobachtete, wie die Funken vom Stein aufflogen, sah die Anspannung in Amiels Schultern, als er den Hammer auf das Eisen schlug, es schärfte, glättete, austarierte.
    »Das ist ein gutes Schwert, Dame Alaïs «, sagte er ruhig. »Es wird Euch gute Dienste tun, obwohl ... Ich bete zu Gott, dass Ihr es nicht gebrauchen müsst.«
    Sie lächelte, »leu tanben.« Ich auch.
    Er half ihr beim Aufsitzen und führte dann das Pferd über den Hof. Alaïs schlug das Herz bis zum Hals vor lauter Angst, dass sie noch im letzten Augenblick gesehen werden könnte, was ihren Plan vereiteln würde.
    Aber es war niemand da, und kurz darauf erreichten sie das Osttor.
    »Gott sei mit Euch, Dame Alaïs «, flüsterte Amiel, als Alaïs ihm einen sol in die Hand drückte. Die Wachen öffneten das Tor, und Alaïs trieb Tatou mit pochendem Herzen hinaus, über die Brücke und auf die frühmorgendlichen Straßen von Caracassonne.
    Kaum hatte Alaïs die Porte Narbonnaise hinter sich gelassen, ließ sie Tatou losgaloppieren.
    Libertat. Freiheit.
    Alaïs empfand ein tiefes Gefühl der Harmonie mit der Natur, als sie der aufgehenden Sonne entgegenritt. Der Wind wehte ihr die Haare aus dem Gesicht und färbte ihre Wangen. Während Tatou durch das weite Land galoppierte, fragte sie sich, ob sich so vielleicht die Seele fühlte, wenn sie den Körper verließ und ihre viertägige Reise zum Himmel antrat. Dieses Gespür für Gottes Gnade, dieses Zurücklassen aller niederen Diesseitigkeit, das Wegfallen des Körperlichen, bis nur noch Geist übrig blieb? Alaïs lächelte. Die parfaits predigten, dass eine Zeit kommen würde, da alle Seelen errettet und alle Fragen im Himmel beantwortet würden. Doch vorläufig wollte sie lieber noch warten. Es gab hier auf Erden noch zu viel zu tun, als dass sie jetzt schon daran denken wollte, sie zu verlassen.
    Ihr Schatten reckte sich lang hinter ihr, und alle Gedanken an Oriane, an den Hof, alle Ängste verblassten. Sie war frei. In ihrem Rücken wurden die sandfarbenen Mauern und Türme der Cité kleiner und kleiner, bis sie schließlich völlig verschwunden waren.
     

Kapitel 22
Toulouse
     
    Dienstag, 5. Juli 2005
     
    A m Toulouser Flughafen Blagnac achtete das Sicherheitspersonal mehr auf Marie-Cecile de l'Oradores Beine als auf die Pässe der anderen Passagiere.
    Sie zog die Blicke auf sich, als sie durch die weite, streng grauweiß geflieste Halle schritt. Ihre symmetrischen schwarzen Locken, ihr maßgeschneidertes rotes Kostüm, ihre blütenweiße Bluse. Alles an ihr hob sie als jemand Wichtiges hervor, jemand, der es nicht gewohnt war, Schlange zu stehen oder warten zu müssen. Ihr üblicher Fahrer wartete am Ankunftsgate auf sie. Mit seinem dunklen Anzug war er zwischen den vielen Verwandten und Urlaubern in T-Shirts und kurzen Hosen eine auffällige Erscheinung. Sie lächelte und erkundigte sich nach seiner Familie, als sie zum Wagen gingen, obwohl sie mit den Gedanken woanders war. Als sie ihr Handy einschaltete, hatte sie eine Nachricht von Will, die sie gleich löschte.
    Der Wagen fädelte sich gemächlich in den Verkehrsstrom auf der rocade, der Ringstraße um Toulouse, ein, und Marie-Cecile gönnte sich einen Moment der Entspannung. Die Zeremonie am Vorabend war erhebender als je zuvor gewesen. Durch das Bewusstsein, dass die Höhle gefunden worden war, hatte sie sich wie verwandelt gefühlt, erfüllt von dem Ritual und betört von der Macht, die sie von ihrem Großvater geerbt hatte. Als sie die Hände hob und die Beschwörungsformel sprach, hatte sie gespürt, wie ihr reine Energie durch die Adern floss.
    Selbst die Aufgabe, Tavernier zum Schweigen zu bringen, einen Eingeweihten, der sich als unzuverlässig erwiesen hatte, war problemlos gelöst worden. Falls alle den Mund hielten - und dessen war sie sich jetzt sicher -, gab es nichts zu befürchten. Marie-Cécile hatte keine Zeit damit vergeudet, ihm die Gelegenheit zu einer Erklärung zu geben. Was sie betraf, so war die ihr gelieferte Mitschrift eines Gesprächs zwischen ihm und

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