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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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erinnerte Milosz an einen Touristenführer für Rom, den er mal besessen hatte. Natürlich
war er nie dort gewesen. Ein Unteroffizier der polnischen Armee verdiente nicht so viel Geld. Aber als überzeugter Katholik hatte er oft davon geträumt, den Papst in seiner Residenz zu besuchen, auch wenn der große Johannes Paul II. von diesem grässlichen Deutschen namens Ratzinger ersetzt worden war. Deshalb hatte er diesen Romführer gekauft und darin solche Stadtpläne gesehen.
    Der Colonel, auf dessen Namensschild »Kinninmore« stand, deutete mit dem Finger auf eine üppig illustrierte Parklandschaft.
    »Unglücklicherweise …«, sagte er und hob seine Stimme, um die Durchsagen im Funkgerät zu übertönen. Eine leichte Nervosität breitete sich unter den Anwesenden aus, bis jemand den Ton leiser drehte, womit das Geräusch des Kanonen- und Gewehrfeuers und die Stimmen auf ein erträgliches Maß reduziert waren. »Eine Kolonne und kleinere Einheiten sind hier auf offenem Feld eingekesselt worden. Sie haben jede Menge Bäume als Schutz und haben sich so gut es ging eingegraben, aber die Piraten machen weiter Druck. Sie wollen die ganze Kompanie vernichten. Wir geben ihnen Feuerschutz von unseren Schiffen auf dem Fluss, aber ihnen geht die Munition aus, und mit dem Nachschub steht es auch eher schlecht.«
    Schon wieder dieses Wort »Piraten«, dachte Milosz. Wir bräuchten wirklich eine bessere Bezeichnung für diese Arschgeigen. Das wär’s doch: Arschgeigen. Das würde sehr gut passen. Master Sergeant Wilson würde sich darüber kaum beschweren können, denn Arschgeigen, das hatte Fryderyk Milosz in seinem Leben oft genug erfahren, gab es in allen Farben und Völkern. Wohingegen die Piraten, die New York wenige Wochen nach dem Verschwinden der Energiewelle überfallen hatten, nur aus einem einzigen Land kamen: aus Nigeria, genauer gesagt aus der Hafenstadt Lagos. Es waren echte, moderne Piraten, die bis zu diesem Zeitpunkt ihr Geld damit verdient hatten, im
Golf von Guinea Containerschiffe zu entführen und Lösegeld zu erpressen – wenn sie es nicht vorzogen, die Mannschaft umzubringen und die Ladung für sich zu behalten. Als bekanntwurde, dass die ersten Piratenschiffe den Atlantik überquerten und mit den erbeuteten Schätzen nach Hause zurückkamen, machten sich ganze Kohorten von Piratenschiffen auf den Weg in die Neue Welt. Viele andere Bewohner der Stadt folgten ihnen, und schließlich schlossen sich Plünderer aus benachbarten Ländern, aus der Karibik und Südamerika an, außerdem natürlich die Menschen, deren Länder durch den Atomschlag der Israelis in Ödland verwandelt worden waren.
    Soweit Milosz das beurteilen konnte, waren von den ursprünglich aus Nigeria stammenden Piraten gar keine mehr da. Sie wurden von besser bewaffneten und organisierten Konkurrenten verdrängt. Deshalb war es nicht mehr richtig, von Piraten zu sprechen. »Arschgeigen« hingegen war ein Begriff, den Milosz zum ersten Mal aus dem Mund eines britischen Offiziers im Irak gehört hatte, und der gefiel ihm ziemlich gut.
    Colonel Kinninmore aber blieb weiterhin beim Begriff »Piraten«.
    »Die Piraten, die wir hier vor uns haben«, sagte er, »gehören wahrscheinlich zu über einem Dutzend verschiedener Gruppen, von denen keine bis vor kurzem besonders koordiniert vorging. Allerdings haben sie sich in dem betreffenden Gebiet gut etabliert und verfügen über solide Ausrüstung. Verdächtig gute Ausrüstung sogar. Sie haben russische Kalaschnikows, AKMs und PKMs, eine ganze Menge chinesischer 56er und Granatwerfer, die sie von den Lastern nahmen, nachdem wir sie aus der Luft angegriffen haben. Einige verfügen über Nachtsichtgeräte, chinesische und russische Dinger, die offenbar ungleich verteilt wurden. Das Gleiche gilt für die individuelle Kampfausrüstung, manche haben sich sogar ein paar Westen des New
York Police Departments angezogen. Ihre Kommunikationstechnik ist sehr gut, auch wenn die Verschlüsselung ihres Funkverkehrs überhaupt nicht funktioniert.«
    Milosz warf einen heimlichen Blick aus dem Fenster des Konferenzzimmers. Es lag im vierten Stock eines anonymen Bürogebäudes in der Nähe des Union Square. Von hier aus sah man auf einen kleinen Park. Alle wichtigen Nummern waren zu der Konferenz geladen worden, Angehörige von Spezialeinheiten aller vier Bereiche des US-Militärs, außerdem private Sicherheitsleute von Sandline. Einer der Navy Seals, mit denen er auf Ellis Island war, erkannte Milosz und nickte ihm

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