Das verlorene Land
verbergen können. Wenn wir niemanden haben, der sich in dieser Gegend gut auskennt, müssen wir vorsichtig sein und den Ort erst genauer auskundschaften.«
Hinter ihm wurde eine quietschende Tür geöffnet, und herein trat ein Riese namens Ben Randall. Er trug mehrere Vorschlaghämmer bei sich und einige Tücher, die er zu einem riesigen Bündel zusammengebunden hatte.
»Ich hab gefunden, was Sie gesucht haben«, sagte er zu Miguel.
»Gut, legen Sie’s da drüben auf den Tisch neben den Frauen.«
Randall ließ seine Last mit lautem Krachen auf den Tisch fallen. Er war einer der größten und kräftigsten Kerle, die Miguel je getroffen hatte. Früher, vor dem Effekt, war er mal Ingenieur auf einer Bohrinsel irgendwo vor Indonesien gewesen. Er war auf einer Farm aufgewachsen und schien sich von allen Mormonen, mit Ausnahme von Peter Atchinson, dem Pferdeexperten, in der Wildnis am wohlsten zu fühlen. Er trat zu ihnen an den Tisch mit der Landkarte und wischte sich den Schweiß von der Stirn, während er die zahlreichen Linien und Schnörkel auf dem Plan studierte.
»Schätze, wir sollten um etwas Schutz im Gelände beten.«
»Beten Sie ruhig, wenn Sie mögen, Mr. Randall«, sagte Miguel. »Ich hingegen glaube, dass der liebe Gott jenen hilft, die sich gut vorbereitet haben und vor dem Angriff den Feind genau studiert haben.«
Aronson schien beunruhigt zu sein und hakte nach: »Wo wir gerade davon sprechen, Miguel. Wie wollen wir sie denn überhaupt angreifen? Es würde mir gar nicht gefallen, wenn ich unsere Gruppe aufteilen müsste. Wir müssten dann ein oder zwei Männer bei den Frauen und Sofia zurücklassen, und selbst das wäre keine Garantie für einen ausreichenden Schutz. Und was soll geschehen, wenn unsere Kundschafter die Banditen in Crockett ausfindig machen? Sie müssen doch zurückkommen, um die anderen Männer zu holen … falls wir überhaupt genug Waffen haben, um einen Angriff durchzuführen.«
Randall und D’Age schauten Miguel erwartungsvoll an. Das war nur zu verständlich. Im Gegensatz zu ihm hatten sie keine Erfahrung, was das Führen einer Gruppe in einer derartigen Situation betraf. Und bis sie von den Road Agents angegriffen wurden, hatten sie wahrscheinlich kaum die Notwendigkeit gesehen zu kämpfen. Miguel hatte zwanzig Jahre lang als Vorarbeiter in der Viehzucht gearbeitet und in dieser Zeit gelernt, sich mit Worten und Fäusten durchzusetzen. Und natürlich hatte er eine Menge gewaltsamer Auseinandersetzungen miterlebt, als er mit seiner Familie auf dem Boot von Miss Julianne aus Mexiko geflüchtet war. Er runzelte die Stirn und schnaubte abfällig, als er die Erinnerungen an das zuletzt erlebte Massaker beiseiteschob. Bilder davon blitzten immer wieder vor seinen Augen auf und quälten ihn. Erst wenn Sofia in Sicherheit war und von den Soldaten von El Presidente Kipper geschützt wurde, würde er sich die Schwäche erlauben, seine Toten zu beklagen. Aber ihre Sicherheit ging vor, danach kam die Rache und erst dann würde
er, falls er überhaupt noch lebte, Zeit für seine Trauer finden.
Er biss sich auf die Unterlippe und dachte über das Problem nach, das Aronson zur Sprache gebracht hatte. Er spürte die zu lang gewachsenen Schnurrbarthaare zwischen den Zähnen.
»Sie haben Recht«, sagte er. »Ich gebe zu, dass ich mir schon den ganzen Morgen darüber Sorgen mache. Diese Banditen wagen sich immer weiter auf das Bundesgebiet vor. Und es scheinen immer mehr zu werden. Es wäre sicherlich nicht klug, sich in mehrere Gruppen aufzuteilen, die wesentlich einfacher zu überfallen wären. Insgesamt haben wir sechs Männer, zwei Jungs, zwei Frauen und Sofia. Falls sie alle in der Lage sind, zu schießen, um sich zu verteidigen, und wenn wir vorsichtig genug sind, dann müssten wir es eigentlich schaffen. Eine kleinere Gruppe dürfte die Road Agents kaum abschrecken, vor allem wenn sie wissen, dass da auch noch Frauen und Kinder sind.«
Aronson nickte, er schien einverstanden mit dem Ergebnis von Miguels Überlegungen.
»Also reiten wir zusammen.«
»Ja«, sagte Miguel. »Aber wenn wir sie ausfindig gemacht haben, werden nur die Männer in den Kampf gehen. Die Frauen müssen sich um die Tiere kümmern und, wenn wir die Sache glücklich beendet haben, um die Verwundeten. Am Kampf direkt sollten sie nicht teilnehmen.«
Das Durcheinander der Stimmen auf der anderen Seite des Gastraums war abgeebbt, während Miguel gesprochen hatte. Er wandte sich um und bemerkte, dass Sofia und
Weitere Kostenlose Bücher