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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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zu fassen bekam. Er schrie auf und fiel um, sein Körper erbebte, als zwei weitere Kugeln ihn trafen.
    Der letzte Eindringling drehte sich um und rannte zum Wagen. Ob er sich dort eine Waffe holen oder einfach nur flüchten wollte, würde Miguel nie erfahren. Er nahm ihn zwei Sekunden lang ins Visier und schoss ihm dann in die Hüfte. Der Mann brach zusammen wie ein Pferd in vollem Galopp, das in ein Erdloch getreten ist. Er schrie auf vor Entsetzen und Todesangst wie ein gefangenes Tier. Miguel lud sein Gewehr und trat näher. Der Mann war schlaksig, obwohl er einen Bierbauch hatte, den er sich offenbar über viele Jahre hinweg angetrunken hatte. Genau wie seine
Kumpane trug auch er eine schräge Kombination aus Wildwest-Klamotten und modernem Gangster-Outfit. Panisch kroch er durch den Dreck in der Hoffnung, den rettenden Wagen doch noch zu erreichen. Gleichzeitig hielt er sich mit einer Hand die verletzte Hüfte, aus der im Rhythmus seines Herzschlags kleine Blutfontänen sprühten.
    Miguel biss die Zähne so heftig zusammen, dass es wehtat, als er über die Leiche seines Sohnes stieg. Alle guten und ehrbaren Gefühle richteten sich auf den Körper des kleinen Jungen, den er nun anhob, als würde er nur schlafen, um ihm einen sanften Gutenachtkuss auf die Augenlider zu geben. Aber ein kurzer erschütternder Blick auf seine Wunden genügte, um Miguel die grausame Gewissheit zu geben, dass sein Sohn für immer von ihm gegangen war. Er schüttelte alle guten und ehrbaren Gefühle ab, die noch in seinem Herzen zu finden waren, und zerstörte sie, während er die Faust ballte, als würde er einen kleinen Vogel zermalmen.
    Nur ganz schwach vernahm er noch die Stimme der Vernunft, die nur ein leises Flüstern im brüllenden Chor der Rachegelüste und des erlittenen Grauens war. Es war seine eigene Stimme, die da zu ihm sprach, eine Stimme aus einer anderen Zeit. Sie erinnerte ihn daran, dass es besser wäre, das Leben des Mannes vor ihm zu schonen, wie missraten dieser Dreckskerl auch war, denn er musste herausfinden, wer ihm das angetan hatte und warum. Aber dann übermannte ihn eine Welle von wildem unbeherrschbarem Hass, die alle Reste der Vernunft überspülte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht und hässlichen Gedanken ging er ganz langsam und vorsichtig auf den jammernden und stöhnenden Verletzten zu, der vor ihm davonkriechen wollte. Als er neben ihm angekommen war, trat er mit dem Stiefel gegen seinen Brustkorb und drehte ihn um, woraufhin der Gepeinigte laut aufschrie. Miguel hob ein Bein und trat wie besessen mit dem Absatz immer wieder in
das Gesicht des Mannes, der zuerst laut protestierte und dann vor Schmerz aufbrüllte. Wieder trat er ihm ins Gesicht. Zähne brachen ab, Lippen und Wangen zerplatzten.
    Noch ein Tritt.
    Und noch einer.
    Und noch einer.
    Als er fertig war, war der Teufel, der sich in seinem Kopf eingenistet und für kurze Zeit das Kommando übernommen hatte, verschwunden. Sein Bein schmerzte, seine Stiefel und seine Jeans waren voller Blut, zerspritztes Gehirn und gesplitterte Knochen klebten daran. Der Kopf des Banditen war jetzt platt wie ein ekelhafter Pfannkuchen.
    Ein kalter Hauch schien durch seinen Körper zu wehen. Miguel brach zusammen und blieb zitternd auf der Erde liegen.

03
    Wiltshire, England
    Caitlin erwachte vom Schreien ihres Babys. Es war hungrig und musste gewickelt werden. Heute hatte Bret frei, was allerdings angenehmer klang, als es tatsächlich war. Vielleicht verkroch er sich ja noch ein paar Minuten unter seiner Bettdecke, während sie sich um die kleine Monique kümmerte und den Kohlenofen anfeuerte, damit sie Kaffee kochen konnten. Es war ganz gut, dass sie dafür gesorgt hatten, dass noch etwas Glut übrig war. Das war angenehmer, als sich vor Tagesanbruch im Kalten damit herumzuplagen, zusammengeknülltes Papier und Kohlen in den ausgekühlten Ofen zu stopfen. Caitlin rieb sich den Schlaf aus den Augen. Eine weitere Nacht mit wenig Schlaf war vorüber. Sie schaute auf die Uhr. Ihre Tage fühlten sich an, als hätten sie vierhundertzwanzig Stunden. »Oh-Mann-und-dreißig«, sagte Bret immer, wenn er im Dunkeln aufstehen musste. Sie schwang ihre langen, schlanken muskulösen Beine über den Rand des Bettes und setzte ihre nackten Füße auf den Fliesenboden. Es war ein weiter Weg nach unten. Das altertümliche Eisenbett war ganz schön hoch.
    »Soll ich sie nehmen?«, murmelte Bret ohne große Begeisterung unter der Daunendecke. Es war nicht mehr lange hin bis zum

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