Das verlorene Land
Hochsommer, aber seit dem Effekt hatte sich das Klima deutlich abgekühlt, und obwohl es sich allmählich wieder zu normalisieren schien, legten sie oft mehrere Schichten von Wolldecken über das breite Federbett.
»Macht nur Sinn, wenn du dir ganz schnell ein Paar volle Brüste anschaffst«, murmelte Caitlin, die gerade bemerkt hatte, dass ihre geschwollenen Brüste voller Milch waren. Monique schlief meistens gut, wofür sie sehr dankbar waren, aber das hatte zur Folge, dass Caitlin morgens aufwachte und ihr unbedingt möglichst viel Milch verabreichen musste. Brets Schnauben, das zur Hälfte wie ein Schnarchen klang, zeigte ihr, wie ernst sein Angebot gemeint gewesen war.
Lustlos schob sie ihre Füße in die Hausschuhe und schlurfte ins Kinderzimmer. Sie musste sich ducken, damit sie nicht mit dem Kopf gegen den Türrahmen stieß. Immerhin hatte er es angeboten, und wenn sie wirklich zu müde gewesen wäre, hätte er sich aus dem Bett gequält und der Kleinen die Windeln gewechselt. Und anschließend hätte er sie zu ihr ins Bett gelegt, damit sie ihr Baby stillen konnte. Es war schon mehr als einmal vorgekommen, dass sie dann alle drei noch einmal einschliefen.
Die Schreie des Babys, die zuerst, wenn es aufwachte, kurz, unregelmäßig und heiser waren, wurden jetzt länger und fordernder. Es merkte, dass es Hunger hatte und in eine feuchte, nicht sehr weiße Windel eingewickelt war. Es gab so gut wie gar keine Wegwerfwindeln mehr, und als Caitlin sich nun im Dunkeln mit ihrer Tochter abmühte, versuchte sie sich einzureden, dass sie auf diese Weise etwas für den Umweltschutz tat. Eilig kratzte sie Moniques Häufchen in einen bereitstehenden Nachttopf und rümpfte angewidert die Nase. Das übelriechende Zeug kam auf den Kompost ihres Bauernhofs. Die ganze Prozedur um »Oh-Mann-und-dreißig«-Uhr war ziemlich lästig, vor allem wenn das Baby es schaffte, mit seinen Füßchen in diese Masse zu treten, die aussah wie verkochtes Hühner-Curry.
»Verdammt, manchmal wäre ich gern wieder in Noisey-le-Sec«, murmelte Caitlin vor sich hin, als sie den Hintern
des Babys gemäß den Instruktionen einer Hebamme aus Swindon abwischte.
»Das war vielleicht eine Hexe«, flüsterte sie Monique zu, nachdem sie die Bescherung in einen Eimer unter dem Wickeltisch entsorgt und eine frische Windel unter den sauberen Po des Kindes geschoben hatte. Sie war schon arg zerschlissen, aber es war so gut wie unmöglich, diese Stofftücher auf dem freien Markt zu kaufen, und die Gesundheitsbehörde bewilligte nur sieben Stück pro Woche. Sie hatte keine Lust sie zu waschen und wiederzuverwenden, aber es gab nun mal keine andere Möglichkeit. Bei diesem Kind musste man sechs- oder siebenmal pro Tag die Windel wechseln, nicht pro Woche.
Immerhin ging ihr die Prozedur inzwischen sehr routiniert von der Hand, sogar wenn es dunkel war. Sie hätte es sogar blind machen können – genauso wie sie die Waffen, die sie auf ihrem Hof hatten, im Dunklen auseinander- und wieder zusammenbauen konnte. Nicht die überraschende Leichtigkeit, mit der sie sich in ihre Rolle als Mutter hineingefunden hatte, gab Caitlin zu denken, sondern die Tatsache, dass ihr diese Rolle so wichtig geworden war. Sie setzte sich in den riesigen ramponierten Ledersessel und legte sich Monique an die Brust. Dann ließ sie ihren Blick über die Felder schweifen und sah zu, was sich in der Frühe im Lager der Arbeiter jenseits des Sicherheitszauns tat. Die Vorarbeiter waren schon aufgestanden, liefen zwischen den britischen Armeezelten hin und her und kontrollierten die Lagerfeuer und Feldküchen. Ganz kurz wirkte das Ganze in der Dunkelheit, als hätte ein Regiment vor dem Hof sein Lager aufgeschlagen. Es ging dort sehr geordnet zu, Männer gingen zwischen den Zeltreihen hindurch und weckten die Schlafenden auf. Als das Baby an ihrer Brust zu saugen begann und sich in eine bequeme Position drehte, bemerkte sie, wie der Horizont allmählich heller wurde und das erste sanfte Licht des Tages
sich über den Savernake Forest legte. Jetzt war der wahre Charakter des Lagers deutlicher zu erkennen.
Ihre Arbeitskräfte waren zum größten Teil Flüchtlinge, vor allem Amerikaner, aber auch Kontinentaleuropäer waren dabei, darunter ein Kader von ehemaligen Angehörigen des Heimatschutzes, die die Leute ausgebildet hatten. Das waren die Vorarbeiter, die immer vor allen anderen aufstanden. Nach einer Weile hob Caitlin das Baby auf ihre Schulter und klopfte ihm auf den Rücken, damit
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