Das verlorene Land
zu der jungen Frau und kniete sich zu ihr. Kurz darauf tauchte Adam neben ihnen auf. Er zielte auf Sofia, bis er merkte, wen er da vor sich hatte.
»Heiliger Strohsack, Sofia! Dein Vater wird aber sehr wütend auf dich sein«, sagte er.
»Wo ist er denn?«, fragte sie. »Er müsste doch längst wieder draußen sein.«
»Er ist immer noch in der Kneipe drin«, sagte Adam. Das brachte sie wieder auf die Beine.
»Ist da noch Munition drin?«, fragte sie und deutete auf sein M-16.
»Klar«, sagte er. »Ich hab noch keinen Schuss abgegeben.«
»Dann gib’s mir«, sagte sie.
»Lieber nicht«, widersprach er und versuchte so viel Autorität wie möglich in seine Stimme zu legen. »Dein Vater hat …«
Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Sie verpasste ihm einen Schlag mit der flachen Seite ihres Gewehrkolbens ins Gesicht.
»Hier.« Sofia reichte der weinenden Frau ihre Remington. »Wie heißt du?«
»Jenny«, erwiderte diese.
»Ich tu dir nichts, Jenny. Weißt du, wie so ein Gewehr funktioniert?«
Die Frau nickte.
»Gut«, sagte Sofia und nahm Adams M-16 an sich. »Bleibt hier. Ich gehe jetzt und suche meinen Vater.«
Miguel verwarf die unwürdige Option eines Rückzugs, nachdem er noch einmal kurz nachgedacht hatte. Er hatte Adam versprochen, dass er alles tun würde, um das Mädchen zu retten. Selbst wenn er das nicht getan hätte, änderte das nichts an der Tatsache, dass es sich um eine Frau handelte, von der er annahm, dass sie es wert war, vor diesen Männern gerettet zu werden. Wenn es seine Tochter gewesen wäre, und ein anderer hätte darauf verzichtet, sie zu retten – was würde er wohl von so einem Mistkerl halten?
Nicht viel, nachdem er ihn getötet hätte.
Miguel machte weiter mit dem, was er als seine Pflicht erachtete, egal, was passieren würde. Er nahm sich die Zeit, den Raum zu studieren, und war bemüht, möglichst viele Details aufzunehmen. Er merkte sich die genaue Position der Road Agents, die aus den Fenstern auf die Straße feuerten, und die der Toten und Verwundeten. Die konnte er eventuell als Deckung benutzen. Er überlegte, welche Wege er gehen musste, wenn er sich in das Chaos stürzte. Er konnte den Raum nicht vollständig überblicken, war sogar weit davon entfernt. Aber das Leben war nun mal nicht perfekt, und Gott erwartete von seinen Kindern, dass sie seinen Wegen vertrauten.
Ein letztes Mal prüfte er die Winchester, während er die wenigen Schritte zur Tür zurücklegte, durch die er in den Gastraum der Bar treten würde.
Sieben rauchfreie Patronen Kaliber 30.30 waren im Magazin.
Er machte das Kreuzzeichen.
Küsste das kleine Medaillon, das er um den Hals trug.
Lud das Gewehr durch und trat in den Raum.
Er arbeitete sich von links nach rechts durch, verpasste dem ersten Mann eine aus 170 Kügelchen bestehende Schrotladung mit einer Geschwindigkeit von 750 Metern pro Sekunde in den Nacken. Der Mann daneben verlor seine Schädeldecke, als er sich leicht drehte, um herauszufinden, was mit seinem Kumpel passiert war. Miguel lud durch und schoss dem dritten Mann in den Rücken, der hinter einem Eisenträger Schutz gesucht hatte, während er auf die Straße hinaus feuerte. Die Frau, die mit ihrem Karabiner blindlings über den Fenstersims hinweg gefeuert hatte, reagierte mit katzengleicher Geschwindigkeit und wandte sich gegen ihn. Sie stieß einen Warnschrei aus, der den Tumult und das Geschrei übertönte, und schoss einige Kugeln auf ihn ab. Die bohrten sich jedoch allesamt in die Decke und ließen einen Regen aus Staub und Putzbrocken auf ihn herabfallen, bevor ihr Gesicht explodierte, als sein vierter Schuss sie traf. Blut und graue Masse spritzte in das Gesicht des Mannes neben ihr.
»Dixie!«, schrie er laut und wandte sich Miguel zu. »Du Schwein, du hast …«
Dixies Freund starb an einer Kugel, die ihm das Herz durchschlug. Bevor Miguel den letzten der Männer fertigmachen konnte, warf dieser seine Waffe zu Boden und hob die Hände.
»He, Kumpel, erschieß mich nicht!«, rief der Graubärtige aus. »Bitte, nicht töten! Ich ergebe mich ja!«
Miguel richtete den Lauf seiner Waffe auf ihn und betrat vorsichtig den Raum. Er ging leicht gebückt und zuckte gelegentlich zusammen, wenn die Kugeln der Mormonen von draußen in das Gebäude einschlugen. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, das grelle Licht,
die peitschenden Schüsse, der Geruch nach Schießpulver und Tod wirkten auf ihn ein, während er das Gefühl hatte, die Zeit würde sich immer
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