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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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wie es sie in Ostdeutschland inzwischen gab oder in einigen abgeschlossenen Ghettos in London. Aber es war trotzdem ein abgeschottetes Viertel. Als blonde Amerikanerin konnte sie dort nicht frei herumlaufen. Sie würde einen Begleiter brauchen, jemanden, der sich auskannte und dem sie vertrauen konnte, der aber nicht zu Echelon gehörte. Dalby hatte ihr ja erklärt, dass diese Operation inoffiziell stattfand und eventuell dementiert würde. Es war durchaus möglich, dass die Sache einen blutigen Ausgang nahm.
    Sie gähnte, und ein wohliger Schauer lief ihr über den Rücken, während der BMW-X5 an einigen niedrigen Häuserreihen mit Mietwohnungen entlangrollte. Im Gegensatz zu London gab es in Berlin keine Ausgangssperre und keine Reisebeschränkungen, weshalb der Verkehr hier um diese Zeit viel dichter war als in der britischen Hauptstadt. Benzin war wesentlich billiger, was wahrscheinlich daran lag, dass es hier keine Kontrollinstanz wie das britische Ministerium für Ressourcen gab. Trotzdem war es in der Stadt wesentlich ruhiger als bei ihrem letzten Einsatz, als sie Nachforschungen über al-Banna angestellt hatte. Die deutsche Wirtschaft war, genau wie die britische, deutlich geschrumpft, und nur wenige Leute konnten es sich leisten, mit dem Auto zu fahren.
    Nach weiteren zehn Minuten kam sie am Flughafen Tempelhof vorbei, wo sie einige demontierte und ausgebrannte Düsenflugzeuge von American Airlines und Delta Airlines entdeckte, die am Ende des Rollfeldes standen. Kurz danach bog sie am Britzer Damm nach links und fuhr rasch an langen Reihen geschlossener Geschäfte vorbei.
Viele sahen so aus, als wären sie schon seit Jahren verrammelt. Gehwege und Straßenränder waren übersät mit Müll und Papierresten, die vom Fahrtwind aufgewirbelt wurden. In den Straßen war es dunkler, als sie es in Erinnerung hatte, aber das war kein Wunder, denn jede zweite Laterne war von der Stadtverwaltung abgeschaltet worden.
    Hier und da standen Gruppen junger Männer zusammen. Einige schauten ihr mit finsteren Blicken nach, während sie vorbeifuhr. Kurz nachdem sie die S-Bahngleise beim Bahnhof Hermannstraße überquert hatte, bog sie nach links in die Emser Straße ein und fuhr zwei Straßenzüge weit zwischen hellen vier- bis fünfstöckigen Häusern hindurch. Im Gegensatz zu den Hauptverkehrsstraßen, wo es obskure Bars und billige Schnellrestaurants gab, in denen sich Scharen von jungen Männern zusammenfanden, war es in dieser Seitenstraße recht ruhig. Die Autos waren ordentlich am Straßenrand geparkt, aber sogar in der Dunkelheit konnte Caitlin erkennen, dass viele von ihnen schon lange nicht mehr bewegt worden waren. Sie waren von Schmutz überzogen, auf vielen klebten dicke Blätterschichten, und Müll hatte sich um ihre Räder angesammelt, deren Reifen größtenteils platt waren. Ihr GPS-Gerät piepte triumphierend.
    Sie war angekommen.
    Sie holte ein nagelneues, ungewohnt aussehendes Handy aus ihrer Lederjacke und tippte eine Nummer ein, die sie aus Brets Tagebuch abgeschrieben hatte. Eine müde männliche Stimme meldete sich.
    »Sayad al Mirsaad.«
    »Hey, Sadie, hier spricht Caitlin Monroe, die Frau von Bret Melton. Wir haben uns auf der Hochzeit kennengelernt. Ich weiß, dass er immer angedroht hat, dich zu besuchen. Aber was das betrifft, hast du wirklich Pech. Ich bin nämlich allein gekommen.«

     
    Die Wohnung war klein. Es gab zwei Zimmer und eine Küche mit Wohnbereich und Essecke. Mirsaad, der Journalist, der ihrem verwundeten Ehemann in den Wirren des Irakkriegs das Leben gerettet hatte, lebte jetzt mit seiner Frau und vier Kindern hier, die glücklicherweise alle schliefen. Laryssa, seine deutsche Frau, stand in der Tür, hielt sich ihren rosafarbenen Morgenmantel zu und sah ihr ungnädig entgegen, als sie im dritten Stock aus dem Aufzug stieg. Sie war nicht gerade erfreut über die späte Störung. Ihr Mann sah total übermüdet aus, und als Caitlin an Laryssa vorbei in die überfüllte Wohnung spähte, verstand sie auch, warum. Inmitten des Durcheinanders lag ein Neugeborenes in der Wiege neben einem Wickeltisch. Nuckelflaschen standen auf dem Küchentresen. Caitlin bereute sofort, dass sie nicht früher angerufen hatte, aber sie wollte nicht, dass irgendjemand herausfand, wohin sie fuhr. Wenn es um Baumer ging, waren alle Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, das hatte sie bei ihrem letzten Abenteuer in Frankreich schmerzlich erfahren.
    »Es tut mir leid, Mrs. Mirsaad, wirklich, aber ich bin gerade nach

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