Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verlorene Observatorium

Das verlorene Observatorium

Titel: Das verlorene Observatorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Mühe, gar nicht erst an sie zu denken. In welchem erbärmlichen Zustand sie jetzt wohl sein mochten? Wie schmutzig mochten sie sein, tote Handschuhe, tote Hände, gelähmt vor Dreck?
    Nach und nach konnte ich auch meinen restlichen Körper spüren. Ich lag auf meiner Ausstellung. Vor mir türmten sich Exponate auf, ich spürte die Plastikbeutel an meinen Wangen, mein Kinn lag auf einer Tabaksdose.
    Mir war bewusst, dass ich versuchen musste aufzustehen, ich musste meine Beine aus den Trümmern befreien und versuchen, mich durch den Tunnel zu arbeiten, um die Kirche zu erreichen. Das alles hätte ich tun sollen, aber ich hatte Angst, meine Beine zu bewegen. Sie könnten verletzt sein, und ich wollte keinen Schmerz empfinden. Ich hatte Staub in den Lungen und den Geschmack von Blut im Mund, mein Kopf fühlte sich dick und fremd an. Lauf, Francis, lauf, dachte ich. Doch statt dessen schloss ich einfach die Augen und glitt in einen tiefen Schlaf.
    Ich erwachte aufgrund der Schmerzen in meinen Beinen. Ich versuchte, den Schutt wegzuräumen und mich umzudrehen, es gelang mir aber nicht. Ich spürte das Pochen in meinen beleidigten Händen, ich drückte sie an meine Lippen, küßte sie. Das wunderschöne Weiß war für immer verdorben, einer meiner Finger war sogar durch die Baumwolle gedrungen. Ich holte einige Male tief Luft und versuchte, mich ausschließlich auf meine Füße, Knöchel und Beine zu konzentrieren, versuchte mich zu erinnern, auf welche Weise sie mit mir verbunden waren, wie sie sich anfühlten, wie sie sich bewegten. Und in dem Moment, als ich mir dies vorstellte, spürte ich, wie sich die Schmerzen durch meinen ganzen Körper bohrten. Ich versuchte, mich ein Stück zu drehen, um die Bewegung meiner Beine zu spüren. Aber je mehr ich mich bewegte, desto größer waren die Schmerzen. Ich befreite mich mit winzigen, kontrollierten Bewegungen und schob mich schließlich langsam vorwärts, kam Zentimeter um Zentimeter weiter. So gut es ging, setzte ich mich auf, kauerte unter dem Holzbalken und umarmte meine verletzten Knie.
    Es wäre eine gute Idee, jetzt ein Streichholz anzuzünden, dachte ich. Es wäre gut, etwas zu sehen, egal, wie trostlos alles auch sein mochte, es wäre gut, diese dichte Dunkelheit aufzulösen und sei es nur für einen Augenblick. Ich hatte Angst vor der Dunkelheit wie ein kleines Kind. Wie, fragte ich mich, fühlte Anna sich, die gefangen war in ewiger Nacht. In meiner Tasche befanden sich Streichhölzer, die ich jedoch ohne Zuhilfenahme meiner Hände nicht anreißen konnte. Trotzdem versuchte ich es, schob mit einem Ellbogen die Schachtel aus meiner Hosentasche und klemmte sie zwischen meine Füße. Aber so konnte ich sie nicht öffnen. Dann versuchte ich, die Streichholzschachtel zwischen den Handgelenken zu halten und mit der Zunge aufzuschieben. Aber ich hielt die Schachtel falsch herum, und als ich die Zunge ausstreckte und die kleine Kartonschublade herausschob, fielen sämtliche Streichhölzer auf den Boden. Ich schrie auf und trat frustriert mit den Schuhen auf den Streichhölzern herum und verfluchte sie. Nun war ich allein in der Dunkelheit. Ich hatte meine einzige Chance auf Licht vertan, hatte sie auf den Boden des Tunnels geworfen.
    Dann fing ich an, mir angst zu machen, murmelte, wenn du hier nicht rauskommst, wirst du sterben. Wenn ich hier bliebe, dachte ich, würde ich eins werden mit dem berühmten fetten und dünnen Kavalier. Auch mein Geist würde dann herumwandern und jeden erschrecken, der kam, mich zu suchen; und diese Eindringlinge kehrten nie mehr ans Licht zurück, selbst wenn sie mit achtzig Dezibel schrien, denn niemand würde sie in diesem Tunnel suchen, weil hier das Phantom mit den weißen Handschuhen und der fette und dünne Kavalier hausten und diese zwei würde niemand stören wollen. Aber ich konnte mich nicht durch den Schutt vor mir arbeiten, es war unmöglich, das Gesetz der Weißen Handschuhe verbot es:
    Bestimmung 7. Tote Handschuhe erfüllen keine Funktion. Die Hände unter ihnen sind niemals in der Lage, etwas aufzuheben, zu berühren oder zu bewegen. Sie sind tot.
    Ich würde um Hilfe rufen. Wie praktisch es wäre, wenn Leute kämen, um mich zu retten. Sie würden die ganze Arbeit erledigen, die Trümmer wegräumen, während ich hier saß, meine Finger küsste und den Leuten befahl, sich doch bitte zu beeilen. Ja, genau so würde es sein. Ich musste nur den Mund aufmachen und laut rufen. Was von den Wanden des Tunnels noch stand, würde

Weitere Kostenlose Bücher