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Das verlorene Observatorium

Das verlorene Observatorium

Titel: Das verlorene Observatorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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worden. Wissen Sie eigentlich, wie viel Vorbereitung und Organisation dahinterstecken? fragte er. Alles muss jetzt weiter nach Plan laufen. Wir würden mit Sicherheit Schadenersatz erhalten, versicherte er, auch wenn sich seine Firma nichts vorzuwerfen hätte. Aber der Terminplan könne und dürfe jetzt nicht mehr geändert werden, auf gar keinen Fall.
    Wo war überhaupt der Pförtner? Niemand wusste es. Man hatte ihn früher an diesem Morgen gesehen, er hatte geholfen, im Keller Drähte zu verlegen, er wollte die Arbeiter nicht allein lassen. Mutter fragte:
    Was haben Sie denn vor?
    Wir werden die vertikalen Stützpfeiler entfernen, Madam. Die Schwerkraft dürfte dann den Rest erledigen.
    Ich verstehe nicht,
    Wir werden die tragenden Wände im Keller zerstören, Madam, und dann wird das Gebäude durch sein Eigengewicht in sich zusammenstürzen. Es ist eine ziemlich einfache Sache und dürfte nicht lange dauern. Gehen Sie jetzt bitte zu den Zuschauern hinüber und bleiben Sie hinter der Absperrung.
    Aber ich konnte nicht einfach so gehen. Wie könnte ich einfach so gehen? Ich wusste, dass noch etwas zu tun war.
    Und zwar schnell, bevor es zu spät war.
    Ich schob mich durch die Menge, drängte mich von Tearsham Park Gardens Richtung Kirche, und gerade als ich mich auf den Weg machte, hörte ich jemanden rufen, der sich anhörte wie Anna Tap. Francis? Francis? Francis!!
Begebenheiten im Keller
    Wie konnte ich die Ausstellung im Stich lassen, wenn das gesamte Gewicht aller Ormes auf sie herabzustürzen drohte? Konnte ich sie einfach einem solchen Ende überlassen? Ich konnte es natürlich nicht. Denn ich, der gescheiterte Hüter all dieser Liebe, würde mir im Spiegel nicht mehr in die Augen schauen können. Ich würde nicht mehr Francis Orme sein, nachdem jeder einzelne wichtige und aufgezeichnete Augenblick meines Lebens vernichtet worden war. Und was würde mein Leben noch bedeuten, wenn sein einziger Daseinszweck beseitigt worden war? Es würde gar nichts mehr bedeuten, es wäre ein langweiliges, ödes Nichts.
    Ich schloss die Kapelle der Ormes auf, entfernte den Deckel des falschen Grabmals, stieg in den Tunnel hinunter und zog den Deckel hinter mir wieder zu. Damit ich etwas sehen konnte, riss ich immer wieder Streichhölzer an und arbeitete mich so im flackernden Licht zu tanzenden Schatten durch den schmalen Tunnel und sah die Geschichte der Stadt rückwärts verlaufen, sah mich immer jünger werden, sah all meine Fehler, all meine Siege. Ich rannte an Anna vorbei, deren Augen noch funktionierten, vorbei an Vaters Tod, vorbei an Peter Buggs Krawatte, vorbei an den Anfängen des Observatoriums, vorbei am Ende von Tearsham Park. Mit jedem Schritt verlor ich Jahre meines Lebens. Ich rannte vorbei an meiner Schulzeit, vorbei an Emma, bis ich schließlich völlig außer Atem Position 1 erreichte, einen Kassenzettel. Wenn ich mich beeilte, würde die Zeit reichen, um alles einzusammeln. Es musste noch genug Zeit sein. In diesem Tunnel befand sich, ordentlich dokumentiert, alle Zeit der Welt. Konnte ich da nicht ein Jahr zurücklassen, jene Gegenstände zurücklassen, welche die Existenz eines Jahres bezeugten, sie eintauschen für ein paar wohlwollende Minuten. Damit ich meine großartige Sammlung evakuieren konnte?
    Als ich mich neben den von Liebe abgewetzten Kassenzettel kniete, hörte ich eine Männerstimme aus dem Keller kommen. Irgend jemand war noch immer hier. Die Stimme rief: Anna, Anna! Ich ließ den Beleg fallen. War Anna noch im Keller? Sie musste es doch mitbekommen haben: Man hatte beschlossen, heute das Observatorium zu beseitigen. Sie musste schnell nach draußen. Ich versuchte, die Tür des Tunnels zu öffnen, aber sie war von der anderen Seite abgeschlossen. Ich war eingeschlossen, wurde von meinem eigenen Vorhängeschloss eingesperrt. Ich rief nach ihr, trat gegen die Tunneltür: Anna! Anna!
    Meine Rufe begegneten auf der anderen Seite der Tür den Echos der anderen Stimme.
    Anna! Anna! rief die Stimme.
    Anna! Anna! kam meine Antwort.
    Ich schlug mit den Fäusten auf die Tür ein. Anna! Anna! kam wieder die Stimme. Ich schmiss mich mit der Schulter gegen die Tür, wieder und immer wieder, bis schließlich das wurmzerfressene Holz nachgab.
    Ich trat in den grauen Keller des Observatoriums. Der Boden war übersät mit Drähten. In die Säulen waren Löcher gebohrt worden, und in diesen Löchern endeten die Drähte mit einem harmlos aussehenden Zylinder aus grauer Knete. Man konnte sogar einen

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