Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verlorene Observatorium

Das verlorene Observatorium

Titel: Das verlorene Observatorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
meine Worte sicher als Echo zurückwerfen und verstärken, bis jemand es hörte. Und dann würden sie sofort die Trümmer wegräumen und mit der Rettungsaktion beginnen. Ich fühlte mich gleich besser. Als ich dann jedoch den Mund aufmachte, um zu schreien, brachte ich keinen Laut heraus. Mein Hals war so trocken, dass ich nicht mehr als ein dünnes Flüstern zustande brachte. Und dieses Flüstern verklang, kaum dass es ausgestoßen war.
    Ich war wie ein Pharao, der mit all den Dingen seines Lebens beigesetzt worden war. Aber noch war ich nicht bereit, das Leben loszulassen. Ich richtete meine Ellbogen auf den Schutt vor mir und fing an, mit hässlichen, verzweifelten Gesten zu scharren. Doch nichts rührte sich. Ich schlug mit den Handgelenken auf den Schutt ein. Nichts rührte sich. Ich trat gegen den Schutt. Und er rührte sich nicht.
    Wenn ich vielleicht meine Hände benutzte, aber das war nicht erlaubt. In diesem Punkt war Bestimmung 7 ganz eindeutig. Also würde ich einfach hier sitzen, mich an die schartige Tunnelwand drücken und versuchen, das Ende einfach zu verschlafen, versuchen, ruhig zu bleiben, versuchen, ein wenig von dieser inneren Reglosigkeit zu erlangen, die ich stets so genossen und geliebt hatte, als mir nicht die unmittelbare Auslöschung drohte. Aber in meinem Zustand der Angst war es schier unmöglich, innere Reglosigkeit zu erreichen. Und so versuchte ich es mit einer verlängerten Sitzung äußerer Reglosigkeit, um mich zu beruhigen. Aber nicht einmal dazu war ich in der Lage. Ich zappelte herum, meine blutenden Beine wollten nicht aufhören zu zittern, meine Hände pochten und vor meine Augen traten die Worte der siebten Bestimmung des Gesetzes der Weißen Handschuhe und wurden immer kleiner, bis der Text am Ende nicht mehr zu lesen war. Nein! Ich konnte das Gesetz nicht brechen! Wozu würde das führen? Es wäre sicherlich das Ende. Ich würde einer dieser anderen Menschen werden, ich würde anfangen zu reden, ich würde sogar aufhören zu sammeln und diesen höchst angenehmen Sockel in der Innenstadt verlassen. Ich würde eine Bewegungsarbeit annehmen, und bei dieser Bewegungsarbeit würde mein Vorgesetzter fast zwangsläufig sagen: Zieh diese Handschuhe aus, Francis und setz dich hin, sei ein lieber Junge. Und ich könnte sogar ein lieber Junge werden und diese Handschuhe tatsächlich ausziehen, und was dann? Nein, ich war Handschuhträger, soviel war sicher. Handschuhmenschen sind magische Menschen. Handschuhe zu tragen, alles zu kontrollieren, was man berührt, kam einem erhabenen Schweben über der Welt gleich. Man konnte das Leben, all das Leid beobachten, man konnte beobachten, brauchte aber niemals etwas zu berühren. Es war besser, gar nicht erst darüber nachdenken, das Gesetz der Weißen Handschuhe zu brechen, es war besser, einfach ganz ruhig hier unten in dieser fürchterlichen Dunkelheit zu sterben.
    Aber es war sehr schwer, nicht zu denken, blieb einem doch sehr wenig anderes zu tun. Ich versuchte, mich an die Namen der Sterne zu erinnern, aber dazu benötigte ich die Hilfe meines Vaters. Und so drängte sich mir ein Gedanke auf, gleichgültig, wie sehr ich auch versuchen mochte, ihn auszulöschen und dieser Gedanke besaß eine solche Macht, dass er mir schließlich den Mund öffnete und mich flüstern ließ:
    Bestimmung 11. Es ist jüngst entschieden worden, dass unter bestimmten außergewöhnlichen Umständen tote Hände auch weiterhin eine Funktion erfüllen können. Für den Fall, dass ein behandschuhtes Individuum von Schutt umgeben in einem dunklen Tunnel erstickt, wurde auf allgemeinen Wunsch beschlossen, dass Hände mit schmutziger oder zerrissener weißer Baumwolle sowie Hände ohne weiße Baumwolle sich bewegen und zur Arbeit eingesetzt werden dürfen.
    Meine Finger begannen, den Schutt wegzuräumen. Der verletzlichste Teil von mir wurde zerschnitten, mein Vorankommen durch mehr Schutt und mehr Schnitte belohnt. Meine armen Hände wurden für alle Zeiten ruiniert. Sie brannten, sie schmerzten, aber sie arbeiteten weiter. Langsam fing ich an, den Schutt hinter mir aufzutürmen und dann in Armladungen langsam den Tunnel hinunterzuschieben. Und schon bald, nach einigen Pausen und Flüchen, dass der Schutt nicht weniger wurde, gelang es mir, einen Balken, der den Weg versperrte, nach hinten wegzuschieben und auf den Schutt zu klettern, wobei ich mit dem Rücken die Tunneldecke entlangschrammte. Und schließlich, endlich, ging es wieder abwärts, so dass ich auf dem

Weitere Kostenlose Bücher