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Das verlorene Observatorium

Das verlorene Observatorium

Titel: Das verlorene Observatorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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die gleichen Flecken auf dem Nachthemd hatte. Und dann begriff Claire Higg, frühere Bewohnerin von Wohnung 16, einst geliebt von Mr. Alec Magnitt (verstorben), (vielleicht) einst geliebt vom Pförtner (demnächst verstorben), dass sie selbst diese unangenehm aussehende alte Frau war. In dem Moment, in dem Claire Higg sah, wer sie war, in dem Moment, in dem sie sah, was aus ihr geworden war, sprang sie sofort in einen dieser Momente extrem geschärften Bewusstseins und beschloss, erfüllt von wachsendem Entsetzen, Abscheu und Atemlosigkeit, auf der Stelle einen Herzinfarkt zu bekommen. Natürlich starb sie. Aber es hätte sie vielleicht getröstet zu wissen, dass die letzten Augenblicke ihres Lebens ein äußerst sehenswertes Fernsehprogramm abgaben. Dies ist keine Vermutung. Dies sollten Sie glauben.
    Meine Mutter lebt noch, aber ich wohne nicht mehr bei ihr. Mutter wohnt in einem großen weißen Gebäude auf der anderen Seite der Stadt. Dieses Gebäude ist eines von mehreren und besonders darauf ausgerichtet, sich um alte Menschen zu kümmern. Als die Menge der Schaulustigen sich nach dem Abbruch zerstreute, wurde Mutter mitgerissen. Doch die Menge, die sich erheblich schneller bewegte, als ihr alter Körper problemlos verkraften konnte, spuckte sie wieder aus, drängte sie beiseite und schleuderte sie gegen eine Wand. Mutter brach zusammen. Als auch die letzten Leute sich entfernten, fand sie jemand, der Hilfe holte. Sie wurde auf einer Bahre in einen Krankenwagen getragen und verschwand in der Stadt. Wir brauchten eine Woche, bis wir sie wiedergefunden hatten. Alle Krankenhäuser riefen wir an, aber keines hatte sie aufgenommen, nicht einmal von ihr gehört. Am Ende schlug jemand vor, wir sollten doch im großen Pflegeheim anrufen. Und tatsächlich hatte der Krankenwagen sie direkt dorthin gefahren, in das winzige, angegliederte Krankenhaus, wohin so viele alte Leute gebracht wurden und das niemand für ein Krankenhaus hält, sondern nur für ein Sanatorium auf dem Gelände des Pflegeheims. Mutter hatte sich die Hüfte gebrochen. Man operierte sie, setzte ihr ein neues Gelenk ein. Man sagte ihr, dass sie sich nie wieder ohne Stöcke oder Gehhilfe bewegen könne.
    Das Pflegeheim verfügt über ein Personal von achtzehn Krankenschwestern und drei Ärzten. Es ist voller alter Leute, die dichtgedrängt auf engem Raum leben. Dort reden sie über alte Dinge und andere alte Menschen und alte Gegenstände, die es nicht mehr in Geschäften zu kaufen gibt und über alte Gerichte, deren Rezepte niemand mehr kennt. Mutter ist wütend auf die alten Leute, sie schreit die Krankenschwestern an und will wissen, warum sie mit sabbernden Idioten zusammenleben muss, die sich ständig einnässen und nicht einmal mehr wissen, wer sie sind. Sie sagt, sie sei nicht so wie die anderen, sie bekäme noch alles mit. Dann lächeln die Schwestern Mutter an und geben ihr ein paar Pillen. Mutter versteckt die Pillen. Sie hat mittlerweile eine großartige Sammlung, die sie im Spülkasten einer der Toiletten des Pflegeheims aufbewahrt. Ich bin sehr stolz auf Mutter. Es besteht nicht der geringste Zweifel, dass wir miteinander verwandt sind.
    Die Schwestern erlauben ihr nicht, das Tonband mit den Geräuschen von den Zähnen meines Vaters abzuspielen, und sie klagt darüber, nicht mehr schlafen zu können. Mutter lässt sich jeden Tag das Haar bürsten.
Anna Tap
    Anna Tap hat entschieden, sich um mich zu kümmern. Nach dem Einsturz des Observatoriums, sagte sie, sei ich recht hilflos geworden. Wir verbrachten unsere Tage mit ausgiebigen Spaziergängen durch die Stadt. Lange Zeit führten uns diese Spaziergänge zu dem Ort, wo früher das Observatorium gestanden hatte. Container um Container waren die Trümmer abtransportiert worden. Oft gingen wir auch in den Tearsham Park. Der Waagenmann war immer noch dort und wenn wir ihm begegneten, sagte er jedes Mal, Anna habe zugenommen. Tatsächlich wurde sie recht dick. Ihr Bauch zeichnete sich deutlich unter dem Kleid ab. Schon bald musste sie sich neue Kleider aus einem dehnbaren Material kaufen, die groß genug waren, sie und ihre wachsende Leibesfülle zu bedecken. Eine Zeitlang gab sie sogar das Rauchen auf. Jetzt ist sie allerdings wieder dünn geworden, nicht so arg wie zuvor, sondern so schlank, wie sie war, als sie in das Observatorium einzog.
    An ihren Augen wurden gewisse Änderungen vorgenommen. Die Glasaugen trafen in der Klinik ein. Es wurde allerdings auch noch ein zweites Augenpaar

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