Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
noch mal die Hand, die die Nadel hielt.
Ehe der Prälat reagieren konnte, stach ihn die Nadel und war auch schon wieder heraus.
Leise Rufe des Erstaunens stiegen von der Menge auf.
»Es war einfach!«, schrie Casmar. »Und so kann die Pockenkrankheit diejenigen nicht mehr befallen, die eine solche Behandlung erhalten. Als euer geistliches Oberhaupt, meine treue Herde, befehle ich jetzt euch allen, das Gleiche zu tun. Alle Kirchen im ganzen Reich stehen dazu offen, und der Doktor und die Helfer, die er dazu bestimmt hat, werden dort helfen, euch alle zu retten. Ich befehle auch, dass nach Ablauf von zehn Tagen jeder, der kein solches Zeichen der Heiligkeit auf der Schulter trägt, aus der Stadt gewiesen wird.«
Casmar segnete die Menschen und machte Platz für Kal, der jetzt auf die vor der Kirche errichtete Plattform stieg.
»Sogar Mäuse können einen Drachen töten, wenn genug von ihnen Feuer spucken!«, brüllte Kal, und die Spannung löste sich, und die Menge brach in wilden Jubel aus.
Von seinem Platz neben dem Podium aus betrachtete Andrew die Ruinen des ausgebrannten Palastes. An deren hoher Brüstung hingen Dutzende Tugarenleichen. Es hatte ihm den Magen umgestülpt, so etwas zu gestatten, aber er wusste, dass es nötig war, um den Menschen zu zeigen, dass man den Feind töten konnte. Was ihm am meisten Sorgen gemacht hatte, das war der Bruch der Disziplin bei den Suzdaliern. Die Männer waren völlig außer Rand und Band geraten und hatten in wilder Mordlust sämtliche verletzten Tugaren umgebracht. Und doch wusste er, wie er selbst reagiert hätte, wären die Plätze vertauscht gewesen.
Und so standen sie einander letztlich gegenüber, dachte er bei sich, während Kal zur Menge sprach und ihre Moral aufbaute. Dieser Graupelz bekümmerte Andrew am stärksten. Falls dieser Tugare kein Dummkopf war, dann war der Gegner jetzt für die Herausforderung bereit. Das Überraschungselement war endgültig dahin.
»Ich schäme mich deiner nicht«, sagte Muzta ruhig und deutete auf das Kissen neben sich.
Müde setzte sich Qubata und nahm den Trank zur Hand, den ihm sein Häuptling reichte.
»Du hättest mich vor dem Rat nicht verteidigen sollen«, entgegnete Qubata grimmig. »Damit hast du deine Position nur weiter geschwächt.«
»Ich kann es mir leisten«, meinte Muzta gutmütig, »besonders einem alten Freund zuliebe. Jetzt sage mir, was du denkst.«
»Wie ich schon dem Rat erklärt habe: Sie verhalten sich nicht mehr wie Vieh. Ihre Maschinen sind tödlich. Die großen Waffen, die sie auf dem Berg versteckt hatten, konnten blitzende Explosionen über tausend Schritte weit schleudern und auch kleinere Eisenkugeln über die gleiche Entfernung.
Aber die Disziplin war es, die mir am meisten Sorgen bereitet. Sie liefen nicht ziellos durcheinander, wie Vieh das früher immer getan hat. Nein, sie sind in Kampflinien vorgerückt. Sie feuerten ihre Waffen ab, luden sie neu, rückten weiter vor, feuerten aufs Neue. Ich habe die Blauröcke beobachtet, die Yankees – sie haben ebenso diszipliniert gekämpft wie unsere eigenen Krieger.«
»Und du hattest keine Chance, das Schlachtenglück zu wenden?«, fragte Muzta ruhig.
»Nein, mein Qarth. Mein Stolz schrie mir zwar zu, irgendwie die Krieger zusammenzutrommeln und anzugreifen. Mein altes Gespür riet mir jedoch, das nicht zu tun. Ich hatte durch Beobachtung schon viel gelernt, und ich hielt es für wichtiger, erst über diese Dinge nachzudenken und später zurückzukehren.«
In Gedanken seufzte Muzta erleichtert. Die zurückgekehrten Krieger beschwerten sich lautstark über Qubata, aber er konnte sehen, dass sich sein alter Freund richtig verhalten hatte.
»Und welchen Plan schlägst du gegen sie vor?«
»Dass wir die eigene Disziplin einsetzen. Wir sind zahlreich, und wir sind beweglicher. Wir müssen in der Cuma vorrücken, der Linienformation, bei der Wellen von Pfeilbeschuss den Vorstoß decken. Wir dürfen nicht frontal gegen den Feind anstürmen, sondern müssen ihn festnageln und ihm dann in die Flanken fallen, wo unsere Schnelligkeit zählen wird.
Schließlich – und ich weiß, dass dies den Stolz unserer Krieger verletzt – müssen diejenigen, die direkt vor den Linien der Menschen kämpfen, dies zu Fuß tun.«
»Zu Fuß?«, fragte Muzta und konnte seine Überraschung nicht verhehlen.
»Zu Fuß, mein Qarth. Drei Krieger können auf dem Platz stehen, den ein Reiter beansprucht. Ich habe auch festgestellt“ dass man zu Pferd ein größeres Ziel
Weitere Kostenlose Bücher