Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
weggepustet!«
»Wahrscheinlich schnurstracks in die Hölle«, sagte Kal nervös, während er den rauchenden Kasten und den Seidenballon betrachtete, der über ihnen schwebte.
»Ich kann noch gar nicht glauben, dass Sie das alles zusammenbekommen haben«, sagte Andrew und betrachtete Hank mit offener Bewunderung.
»Ich wünschte, ich hätte ihn größer hinbekommen, Sir, aber Seide war hier echt knapp«, entgegnete Hank. »Ich schätze, er trägt zweihundertzwanzig, höchstens zweihundertvierzig Pfund. Ich denke, womöglich gerade mal Hawthorne und mich zusammen.«
Aufgeregt wandte sich Hawthorne an Andrew und erinnerte an einen kleinen Jungen, der voller Eifer auf die Erlaubnis der Eltern zu einem jugendlichen Abenteuer wartete.
»Mr. Hawthorne, Sie sind Brevet-Captain der suzdalischen Infanterie – ich brauche Sie dringender da draußen als oben in den Wolken. Und außerdem, mein Junge, warum sind Sie nicht bei Ihrer Einheit und drillen sie?«
Die übrigen Offiziere lachten in sich hinein. Zu ihrer aller Erstaunen hatte sich der winzige Hawthorne zu einem der besten Ausbilder der stetig wachsenden suzdalischen Armee gemausert. Es schien, dass ihn auf eine seltsame Art die sanfte Stimme, der Ruf, aus Nowrod entkommen zu sein, und die Hochzeit mit Kals Tochter zu einer Person gemacht hatten, die in der Armee allergrößten Respekt genoss.
Etliche Männer aus seinem ersten Kommando dienten inzwischen als Sergeants und sogar als Offiziere der drei Divisionen, die bislang ausgebildet und ausgerüstet worden waren.
»Sir, mein Kommando hat Wachdienst auf der Mauer, keine hundert Meter entfernt«, antwortete Hawthorne steif.
»Na ja, ich könnte mir vorstellen, dass es die Leute beeindrucken würde, ihren jungen Offizier beim Flug durch die Lüfte zu bestaunen«, sagte Andrew nachsichtig. »Nur zu, probieren Sie es. Aber geben Sie Acht – wir möchten doch nicht, dass dem Vater dieses schönen kleinen Mädchens etwas zustößt!«
Die Männer lachten, und Vincent strahlte, als seine neugeborene Tochter erwähnt wurde. Er sprang in den Korb unterhalb des Ballons und zwinkerte seinem Freund Hank verschwörerisch zu.
»In Ordnung, die Halteleinen lösen!«, befahl Hank. Das suzdalische Bodenpersonal machte sich, erfüllt von der eigenen Wichtigkeit, an die Arbeit und führte den Befehl dieses jungen Yankees aus, den es beinahe für einen Zauberer hielt.
Nachdem die Leinen gelöst waren, blieb der Ballon zunächst auf der Startplattform im Zentrum des Platzes. Mit dramatischem Schwung machte sich Hank daran, die Sandsäcke loszubinden, die den Korb säumten. Als nur noch zwei davon blieben, schwebte das Vehikel ganz allmählich in die Höhe.
»Und jetzt wird Ihnen Professor Petracci wagemutige Flugkunststücke vorführen, wie man sie auf Waldennia bislang weder erblickt noch sich ausgemalt hat!«, schrie er in seiner besten Zirkusruferstimme, während der Ballon gen Himmel stieg.
Schreckensschreie hallten durch die Stadt, als der schwankende Korb immer höher stieg und nun den großen Turm des Doms unter sich zurückließ.
»Dimitri, Petra!«, brüllte Hawthorne und winkte seinen Männern zu, die mit offenen Mündern auf der Mauer am Fluss standen. Als sie ihren jungen Befehlshaber erkannten, sprangen sie aufgeregt auf und nieder und zeigten nach oben, um schließlich angeberisch einherzustolzieren, erfüllt von sichtlichem Stolz, dass sie einem Yankee dienten, der sogar fliegen konnte.
Der Aufstieg wurde langsamer, als das Gewicht des Halteseils den Ballon bremste.
»Zurücktreten!«, schrie Hank und schnitt einen weiteren Sandsack los, der auf den Platz hinunterkrachte.
Immer höher stieg der Ballon, bis er auf fast hundertsiebzig Metern das Ende des Halteseils erreichte und sich dort leicht hüpfend drehte.
»Ich hätte nie gedacht, dass mir der alte Keane den Flug genehmigt!«, rief Hawthorne aufgeregt.
»Ich habe schon in deinen Augen gelesen, dass dir das Fliegen im Blut liegt. Das konnte ich sehen, als du zum ersten Mal an meinem Labor vorbeispaziert bist«, behauptete Hank redselig. »Und ich dachte mir: Das ist jemand, den Professor Petracci lieber vertrauensvoll unter seine Fittiche nehmen sollte.« Und die beiden Freunde lachten.
Aufgekratzt blickte sich Hawthorne um. Im Osten liefen die große Gießerei und die Mühlen unter Volllast, und Rauch quoll aus den Schornsteinen. Nördlich der Gießerei stand die Pulvermühle, deren großes Rad kreiste und dabei die Holzhämmer und Mahlsteine
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