Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
Tugaren schwärmten auf beiden Seiten heran, während der Zug schwankend durch die erste Kurve donnerte und dann bergab Kurs auf die zweite nahm.
Von der Spitze der nordöstlichen Bastion aus eröffneten mehrere Feldgeschütze das Feuer; die Kugeln fegten heulend heran und verstreuten einige der Krieger.
Ein Tugare lenkte sein Pferd an den Zug und sprang auf den Tender.
Malady warf sich herum und streckte ihn mit einem Schuss nieder.
Ein weiterer Tugare galoppierte neben der Lok her, und vor Freude brüllend entriss der Bahningenieur seinem entsetzten Heizer den eisernen Schürhaken und schlug den Tugaren aus dem Sattel.
Nach der letzten Kurve brauste die Lok schnurgerade auf die Schanzen zu; das Tor stand für diesen Nachzügler offen. Mit guten fünfundsechzig Stundenkilometern donnerte der Zug über die Burggrabenbrücke.
Malady riss den Gashebel zurück und legte sich so kräftig gegen den Bremshebel, dass es ihm fast die Füße vom Boden hob.
Funkensprühend kreischte die Lok durch die Befestigungslinie, und das Tor schwang hinter ihr zu.
»Festhalten!«, brüllte Malady, während der Zug über die Gleise rutschte und sich dabei der scharfen Kurve direkt vor der eigentlichen Stadtmauer näherte.
Mit heftigem Kreischen sprang die Lok aus den Gleisen; Erde spritzte in alle Richtungen, während sie durch den Boden pflügte und mit einem abschließenden sachten Schubs vor der Holzpalisade von Suzdal zum Stehen kam.
Tausende hatten das Drama mit angehaltenem Atem verfolgt und stießen jetzt laute Jubelschreie aus.
Malady stieg aus der Kabine und winkte seinen Bewunderern gutmütig zu. Er tätschelte die Flanke der Bangor und trat vor die Lokomotive, stieg dort auf den Kuhfänger, zog den Speer aus der Frontplatte und wich zurück, um das Wrack zu bestaunen.
»Die beste verdammte Zugfahrt, die ich je erlebt habe!«, flüsterte er ehrfürchtig.
»Da kommen sie!«
Krank vor Erschöpfung, stand Andrew auf der Plattform der Nordostbastion und blickte zum tugarischen Heer hinaus, das, etliche tausend Mann stark, zu Fuß anrückte.
Die Geschütze eröffneten das Feuer und schlugen blutige Schneisen in die angreifenden Ränge, die gegen die erste Reihe der Verhaue anbrandeten. Einzelne Krieger schlugen das Gestrüpp und die Pfahle mit ihren mächtigen Zweihandäxten weg und drängten weiter heran, aber jeder Anschein von Ordnung bei den Angreifern war dahin.
Andrew drehte sich um und nickte Hans zu.
Gebrüllte Befehle liefen die Linie entlang: von der Division zur Brigade und schließlich zum Regiment. Eintausend Musketen donnerten los. Trotzdem stürmte der Feind weiter vor und bahnte sich seinen Weg durch die Trittlöcher, Pfähle und anderen Hindernisse. An die zweihundert Meter weiter draußen bildeten Unterstützungstruppen aus mehreren tausend weiteren Tugaren massive Formationen und verdunkelten den Himmel mit ihren Pfeilhageln, die jedoch nur geringe Wirkung zeitigten, wenn sie auf die mit Erde abgedeckten, schützenden Baumstämme niedergingen, aus denen die Schutzdächer über den Verteidigern bestanden.
Die vorderste Reihe der Horde erreichte den trockenen Graben. Einige sprangen hinein, aber die meisten gafften einfach nur mit offenen Mäulern auf dieses Hindernis, das auch noch zu überwinden war, ehe sie sich in den Nahkampf stürzen konnten.
Da schoss aus den Reihen der Horde ein Pfeil gen Himmel, unter dem ein rotes Band flatterte. Tiefe Hörner ertönten, und wie ein Mann wandten sich die Tugaren ab und zogen sich zurück, ließen das Feld mit Hunderten von Toten bedeckt. Die Schüsse von den Wällen erstarben.
»Und was sollte das alles?«, fragte Kal.
»Sie wollten unsere Linien auf die Probe stellen«, erklärte Hans. »Profis – das da draußen sind verdammt gute Profis.«
Seufzend drehte sich Andrew zu seinem Stab um.
»Zu knapp«, flüsterte er. »Wir hätten dort oben schon beinahe alles verloren.« Und er deutete mit dem Kopf vage nach Norden.
»In Ordnung, Hans, wie sieht die Bilanz aus?«
Hans holte ein Stück Papier hervor und las die Liste ab.
»In zwölf Tagen hatten wir über viertausend Tote und Verwundete; wir haben elf Feldgeschütze verloren sowie über eintausend Musketen und sonstige Ausrüstung der einen und anderen Art. Über die Hälfte der Artilleriemunition und ein Drittel der Infanteriemunition wurden verbraucht. Drei Regimenter sind bis heute Morgen ausgelöscht worden; und ein Drittel der übrigen Regimenter, besonders in Houstons Division, hat mehr als
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