Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
Knattern der Musketen und Kanonen vermischten sich zu einem Lärminferno, wie es Andrew noch nie erlebt hatte.
Unmittelbar nördlich der Ostbastion tauchten jetzt dunkle Gestalten auf den Brustwehren auf und sprangen in die Schützenstellungen. Wilde Nahkämpfe brachen aus, und Reservekräfte aus mit Speeren bewaffneter Miliz stürmten die Schanzen hinauf und stießen und schubsten, um die plötzlich entstandene Bresche zu schließen.
Die Telegrafentaste neben Andrew klapperte los, und Mitchell beugte sich darüber und machte hastige Notizen.
»Barry, Sir!«, rief Mitchell. »Er bittet um ein weiteres Regiment Musketiere!«
»Noch nicht, verdammt!«, bellte Andrew. »Die Schlacht läuft erst wenige Minuten. Sagen Sie ihm, dass er mit dem durchhalten muss, was er hat.«
Die Bresche auf dem Wall verbreiterte sich. Nervös stellte Andrew den Feldstecher auf die gefährdete Linie ein. Er sah, wie Kals Kommandoeinheit mit Tausenden Milizionären vorstürmte, und betete lautlos darum, dass es ihnen irgendwie gelang, die Lücke zu stopfen. Bislang hatte er stets selbst an der Front Position bezogen, war gefangen gewesen in dem entsetzlichen Kitzel, hatte sich im Getümmel der Schlacht verloren. Jetzt musste er allein hier stehen und auf den richtigen Zeitpunkt warten, um seine Figuren zu bewegen, damit sie der unerbittlichen Welle so lange wie möglich standhielten.
»Die erste Bresche, mein Qarth!«, brüllte Tula triumphierend. »Die Sonne steht noch keine zwei Handspannen über dem Horizont, und schon siegen wir.«
Erregt bemühte sich Muzta, sein Pferd zu bändigen, und blickte konzentriert zu der sich allmählich vergrößernden Lücke hinüber.
»Schicke mehr Bogenschützen zur Flanke, um dort Unterstützungsbeschuss zu leisten!«, schrie er. »Wir müssen das Vieh daran hindern, die Bresche wieder zu schließen. Und halte dabei den Druck auf ganzer Länge aufrecht!«
Mit grimmigem Gesicht stand Kal auf freiem Gelände und achtete gar nicht auf die Männer, die ihren Anführer umringten und mit erhobenen Schilden vor dem tödlichen Regen schützten, der ringsum niederging.
Zu Tausenden stürmte die Miliz vor und schrie dabei trotzig, und Hunderte fielen, ehe sie die Bresche überhaupt erreichten.
Die Tugaren strömten weiter durch die inzwischen fast fünfzig Meter breite Lücke; einige hatten bereits den Wall überwunden und wateten auf dem Boden durch die Reihen der Menschen, schwangen ihre Schwerter mit tödlicher Leichtigkeit, erschlugen zwei, manchmal drei Männer mit einem einzelnen Hieb.
Alles war ein wildes Durcheinander. Auf der hohen Bastion rechts wurden die Geschütze herumgeschwenkt und entluden ihre tödliche Ladung in das wimmelnde Meer des Chaos unter ihnen, streckten Freund und Feind mit jedem Schuss gleichermaßen nieder.
Und doch drängten die Tugaren weiter heran. Die Miliz gab allmählich nach, und die Männer blickten nervös über die Schultern zum Osttor, durch das weitere Männer strömten, um die Lücke zu stopfen.
»In Ordnung, meine Mäuse!«, schrie Kal und hob ungeschickt ein Schwert. »Jetzt sehen wir mal, was wir aus ihnen herausnagen können!« Und ungeachtet der Proteste seines Stabes warf er sich in den Irrsinn.
»Los geht’s!«, schrie O’Donald, als er aus der Nordostbastion stürmte. Er sprang in den Führerstand der Bangor und brüllte begeistert, als Malady den Dampfhebel nach unten rammte. Die Lok stemmte sich gegen ihre Last; ihre Räder drehten erst durch, aber dann setzte sich der Zug mit einem Ruck in Bewegung und rumpelte über die Gleise. Mit kreischender Pfeife beschleunigte die Lokomotive, und die zur Bresche stürmenden Milizionäre sprangen aus dem Weg, als der Zug mit den beiden metallbeschlagenen Wagen vor und hinter der Lok angedonnert kam.
Der Druck der Menschen beiderseits der Schienenstrecke wurde von Minute zu Minute stärker, und sie schrien und brüllten, als Wellen von Pfeilen in ihre Reihen regneten und Häuser zu beiden Seiten tosend in Flammen aufgingen. Hinter einer Kurve zwischen zwei Infernos, die leer stehende Lagerhäuser verschlangen, erblickte O’Donald ihr Ziel in vierhundert Metern Entfernung.
»Jesus im Himmel, Malady, bringen Sie uns dorthin!«, schrie O’Donald.
Er stieg aus der Kabine und hangelte sich an der Flanke der Lok entlang, wobei er sich am Geländer festhielt, um nicht von dem schwankenden Vehikel zu fallen. Pfeile mit Stahlspitzen knallten auf die Lok und schlugen dabei Funken. An der vorderen Kopplung
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