Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit
Schiffsflanke und war sogleich von Rauch eingehüllt. Lange Sekunden verstrichen; dann hörte Vincent das Geschoss heulend heranfliegen, mit einer tiefen Stimme voller Tod, und die Flugbahn wurde immer höher. Das Heulen der Todesfee peitschte über ihn hinweg, und einen kurzen Augenblick lang sah er das Geschoss. Ein blendender Blitz stieg von hinter der Batterie auf und erhellte den Himmel, und ein Donnerschlag krachte durch die Landschaft.
Benommen blickte Vincent zum Schiff zurück, das eine schreckliche Bedrohung ausstrahlte und dabei in mehr als drei Kilometern Entfernung außer Reichweite blieb.
Es musste Tobias sein, dachte er grimmig. Irgendwie war es dem Mistkerl gelungen, ein Panzerschiff herzustellen und es mit Geschützen auszustatten, die viel machtvoller waren als alles, was man im Arsenal der Rus fand. Ein Gefühl von Verlorenheit und Verzweiflung erfüllte Vincents Herz. Eine Flagge wehte am Heck des Schiffes, und ihn erfüllte Abscheu, als er die Bundesfarben erkannte.
»Besser hätte eine Rebellenflagge gepasst, du Verräter!«, flüsterte er, erfüllt von Widerwillen.
Benommen stand er auf der Höhe und musterte die Flotte, während die Schlacht ringsherum zerfiel. Die Legion war fort, strömte in wahnsinniger Panik zur Stadt zurück. Die Carthas rückten auf ganzer Front vor, und die Ruseinheiten bildeten die letzten organisierten Formationen auf dem Schlachtfeld.
»Es ist verlören!«, rief jemand hinter ihm.
Es war Marcus, der sich nicht um den ringsherum waltenden Tod scherte, während er vor Vincent das Pferd zügelte, und Vincent konnte nicht umhin, Bewunderung für diesen Mann zu empfinden, der zum ersten Mal unter Feuer lag und doch die ganze ruhige Distanziertheit eines erfahrenen Unionsoffiziers zeigte. Sein Anblick erinnerte Vincent wieder daran, wer er selbst war und was getan werden musste. Er verbannte das Schiff aus seinen Gedanken.
»Es ist verloren«, stellte Marcus gelassen fest, obgleich sein Gesicht blass war. »Holen Sie Ihre Leute hier heraus.«
»Wir halten noch ein paar Minuten lang diesen Höhenzug. Bei dieser Panik wird an Ihren Toren das Chaos herrschen.« Er deutete auf den entsetzten Mob, der zur Stadt zurückströmte. »Meine Leute sind unsere letzten disziplinierten Einheiten.«
»Ich werde das nie vergessen«, sagte Marcus, lehnte sich herüber und packte Vincent fest am Arm.
»Ich möchte, dass Sie sehen, wie freie Männer kämpfen können, selbst wenn es der Krieg eines anderen ist«, gab Vincent scharf zurück.
Marcus nahm die Hand zurück und starrte ihn an.
»Die Welt ist eine andere geworden, Marcus, und Sie sollten das lieber begreifen!«, schrie Vincent und deutete auf den vorrückenden Feind und die Panzerschiffe dahinter. »Reiten Sie zu Welnikow hinüber. Sagen Sie dem alten Mistkerl, er soll seine Kanonen einsammeln, zwei davon an jedem Stadttor postieren und das letzte Geschütz als Reserve auf dem Forum aufstellen. Ich möchte, dass Bugarin seine Batterie aufteilt: drei Geschütze auf jede Flanke des Fünften. Danach versuchen Sie, einen Teil Ihrer Kavallerie zusammenzutrommeln, damit sie hilft, unsere Flanken abzuschirmen; und sehen Sie mal, ob Sie nicht auch ein Pferd für mich auftreiben. Ich sehe Sie in der Stadt wieder. Jetzt aber los!«
Marcus blickte zu ihm herab, und ein Lächeln glitt über seine Züge.
Mit einer Geste, die Vincent beinahe erheiternd fand, salutierte Marcus vor ihm, riss dann heftig das Pferd herum und galoppierte davon.
»Es sieht nicht gut aus!«, schrie Dimitri, der aus dem Qualm zum Vorschein kam, gefolgt von zurückweichenden Männern.
Vincent gab keine Antwort. Die vorderste Linie des Feindes war inzwischen an die zweihundert Meter entfernt und hielt sich damit auf äußerste Distanz. Zumindest ließ so der Druck nach. Rechts von sich sah Vincent, wie in einigen Hundert Metern Entfernung eine Kolonne Carthatruppen den Höhenzug erklomm und Anstalten traf, als Reihe herumzuschwenken, um einen Flankenangriff durchzuführen. In wenigen Augenblicken würden sie seine Stellung erreicht haben.
Eine dünnes Lächeln spielte um seine Lippen. Andrew hatte sich in Gettysburg in gleicher Lage wiedergefunden, damals, als das Fünfunddreißigste zurückblieb, um den Vormarsch der Rebellen aufzuhalten, während der Rest des 1. Korps zurückwich. Ob er sich jetzt hier genauso gut schlug?
»In Ordnung, Dimitri, wir fächern zu einer langen Schützenlinie aus, nur einen Mann tief. Die Flanken sollen sich nach hinten
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