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Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit

Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit

Titel: Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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irren Gedränge dort zu entgehen.
    Die Trommeln donnerten die Straße entlang und warfen dabei Echos; die Männer wurden mit dem ersten Lied fertig und gingen zur inoffiziellen Hymne der Armee über, dem »Battle Cry of Freedom«, dem Schlachtruf der Freiheit.
    Der große Zentralplatz der Stadt lag jetzt vor Andrew, und dort drängten sich die Menschen von Suzdal dicht an dicht. Vier Regimenter hatten vor der Kathedrale Aufstellung bezogen, die erste Brigade der alten ersten Division. Auf den rechten Schultern ruhten die polierten Musketen, auf den linken schwere zusammengerollte Decken. Die Provianttaschen quollen mit Rationen für acht Tage beinahe über. In Patronenschachteln und Hosentaschen führte jeder Mann Hunderte Schuss Munition mit. Die weißen Sackkittel und Hosen schnitten traurig ab, wenn man sie mit den blauen Uniformen des Fünfunddreißigsten verglich, aber die Männer wirkten schmal und zäh von der harten Arbeit in den Fabriken. Diese Veteranen des Tugarenkrieges blickten ihrem näher kommenden Befehlshaber stolz entgegen.
    Hans saß vor der Formation auf seinem Pferd, neben ihm Kindred, der Divisionskommandeur. Beide trugen nach wie vor ihre alten Uniformen der Nordstaatenarmee.
    Als Andrew näher heran war, drehte sich Kindred zu seiner Truppe um.
    »Brigade, Achtung! Präsentiert das Gewehr!«
    Als die zweitausendfünfhundert Mann ihre Musketen aufrichteten, hallte das Klatschen der Hände auf Holz und Metall über den Platz.
    Andrew hob das Schwert und erwiderte so den Gruß der Brigade. Mit strenger Miene ritt er auf Mercury allen voraus, die Augen tief hinter der dünnen Drahtbrille.
    »Was zum Teufel soll ich nur mit einem Buchgelehrten anfangen?«, hatte sein Regimentskommandeur gesagt, als Andrew sich damals beim 35. Regiment meldete, ein unbeholfener, verwirrter Leutnant, der noch eine Woche vorher Geschichtslehrer am Bowdoin College gewesen war.
    Die Erinnerung an diesen Augenblick rief jetzt ein Lächeln hervor. Was hätte der alte Estes wohl jetzt zu all dem hier gesagt? Einen kurzen Augenblick gestattete sich Andrew, die innere Spannung loszulassen, die Befürchtungen, die ihn in jedem wachen Augenblick beherrscht hatten, seit er auf dieser Welt eingetroffen war.
    Augenblicke wie dieser zeigen mir, dass es sich lohnt, dachte er.
    Hans lenkte sein Pferd an Andrews Seite. Er und Andrew blickten sich kurz in die Augen. Worte waren nicht nötig, denn beide begriffen, was dieser Augenblick aufstöberte. Der Krieg, den sie auf eine Art und Weise kannten, wie sie nur alterprobten Veteranen möglich war, saugte sie aufs Neue in seinen schrecklichen Schlund. Aber hier und jetzt, in diesem kurzen Augenblick, konnte auch das, was sie aus dem Nichts geschaffen hatten, seine Pracht zeigen. Im Zentrum des Platzes blickte Andrew seitlich zur Kathedrale hinüber, wo auf der Eingangstreppe eine Plattform errichtet worden war. Darauf stand Kal in seinem besten Präsidentenaufzug mit Zylinder, schwarzem Jackett und sackartiger schwarzer Hose; an seiner Seite Casmar. Der Anblick des alten Freundes mit dem Kinnbart und der Lincolnesken Aufmachung entlockte Andrew beinahe ein Lächeln. Kals Miene verriet jedoch auch traurigen Ernst, und Andrew lief ein kalter Schauer über den Rücken. Kal schien heute Morgen Kummer und Sorgen auszustrahlen, was Andrew einen Stich ins Herz versetzte. Er zügelte das Pferd kurz und salutierte feierlich vor einem Mann, der, obschon Freund, auch sein Präsident war.
    »Gott beschütze Sie, mein Freund«, sagte Kal, und seine Stimme klang laut über den Platz. Andrew registrierte wie betäubt, dass der Mann Tränen in den Augen hatte.
    Casmar hob einen Zweig, von dem Wasser tropfte, und schlug mit ernster Würde das Kreuzzeichen, wobei die Wassertropfen auf Andrew sprühten.
    Die Szenerie erstarrte für einen kurzen Augenblick, dann trieb Andrew Mercury mit sanftem Stoß der Fersen weiter, ritt an der Front der Kathedrale vorbei und bog auf die Straße zum Haupttor ein.
    Der Marsch tritt des Regiments dröhnte an den Häuserwänden. Die tiefen Schatten wurden bereits von Balken aus rotem Licht durchstoßen, als die Sonne direkt vor Andrew aufging. Hinter ihm, noch auf dem Platz, stimmten die Rusregimenter die »Battle Hymn of the Republic« an, sangen die Kriegshymne der Republik jedoch in ihrer eigenen Sprache, die den Worten Reichhaltigkeit und Tiefe zu verleihen schien.
    Andrew blickte zurück. Das Sonnenlicht spiegelte sich mit blendender Leuchtkraft auf Tausenden von

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