Das Verlorene Symbol
zu fühlen. »Sie sind Mitglied eines Kults?«
Langdon nickte und senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »Verraten Sie es niemandem, aber am Tag des heidnischen Sonnengottes Ra knie ich mich vor ein altertümliches Folterinstrument und verspeise auf symbolische Weise Fleisch und Blut.«
Schockiertes Schweigen im Hörsaal.
Langdon zuckte die Schultern. »Und falls sich jemand von Ihnen zu mir gesellen möchte, kommen Sie am Sonntag in die Harvard Chapel, knien Sie sich neben mir unter das Kruzifix und teilen Sie mit mir die heilige Kommunion.«
Die Studenten schwiegen noch immer.
Langdon zwinkerte ihnen zu. »Bleiben Sie unvoreingenommen, meine Freunde. Wir alle fürchten uns vor dem, was wir nicht verstehen.«
Sieben Glockenschläge hallten über die Gänge des Kapitols.
Robert Langdon rannte über den Verbindungskorridor. So viel zum Thema dramatischer Auftritt! Er entdeckte den Eingang zur National Statuary Hall und hielt darauf zu.
Als er sich der Tür näherte, verlangsamte er das Tempo, bis er nur noch lässig daherschritt. Er atmete mehrmals tief durch, knöpfte sein Jackett zu, strich sich das Haar zurück und bog genau in dem Augenblick um die Ecke, als der letzte Schlag der Uhr verklang.
Showtime.
Als Professor Robert Langdon die National Statuary Hall betrat, hob er den Blick und lächelte freundlich. Doch Augenblicke später war sein Lächeln verschwunden. Er blieb wie angewurzelt stehen.
Irgendetwas stimmte nicht. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht.
KAPITEL 7
Katherine Solomon eilte im kalten Regen über den Parkplatz und wünschte sich, sie hätte sich mehr angezogen als Jeans und Kaschmirpulli. Je näher sie dem Haupteingang kam, umso deutlicher war das Brausen der großen Luftaufbereiter zu hören. Katherine nahm es kaum wahr, denn ihr klingelten noch die Ohren von dem Telefonanruf, den sie soeben erhalten hatte.
Das, wovon Ihr Bruder glaubt, dass es in Washington verborgen ist … Es kann gefunden werden.
Katherine fand diese Vorstellung unglaublich. Sie und der Anrufer hatten noch viel zu besprechen und vereinbart, dies später am Abend zu tun.
Als sie bei der Tür ankam, verspürte sie dieselbe Aufregung wie jedes Mal, wenn sie dieses riesige Gebäude betrat. Niemand weiß, dass es diesen Ort hier gibt.
Auf der Tür stand:
S MITHSONIAN M USEUM S UPPORT C ENTER
(SMSC)
Die Smithsonian Institution verfügte zwar über mehr als ein Dutzend Museen an der National Mall, besaß aber eine so große Sammlung, dass nur zwei Prozent davon ausgestellt werden konnte. Die restlichen achtundneunzig Prozent waren eingelagert. Und dieses Lager befand sich hier.
In dem Gebäude war – wenig überraschend – eine erstaunliche Vielfalt an Sammlungsstücken untergebracht: riesige Buddhas, alte Handschriften, Giftpfeile aus Neuguinea, juwelenbesetzte Messer, ein Kajak aus Fischbein. Nicht weniger staunenswert waren die naturkundlichen Schätze: Skelette von Plesiosauriern, eine einzigartige Meteoritensammlung, ein Riesenkalmar, sogar eine Anzahl Elefantenschädel, die Teddy Roosevelt von einer Safari aus Afrika mitgebracht hatte.
Aber das alles war nicht der Grund, weshalb der Vorsitzende der Smithsonian, Peter Solomon, seine Schwester vor drei Jahren ins SMSC hineingebracht hatte. Sie sollte sich keine Wunderdinge anschauen, sondern selbst welche erschaffen. Und genau das hatte Katherine seitdem getan.
Tief im Innern des Gebäudes, im abgelegensten Teil, befand sich ein kleines wissenschaftliches Labor, das auf der Welt einzigartig war. Der neueste Durchbruch, der Katherine dort auf dem Gebiet der Noetik gelungen war, hatte Auswirkungen auf sämtliche wissenschaftlichen Disziplinen, von der Physik über die Geschichtsforschung bis zur Philosophie und Religionswissenschaft.
Bald wird sich alles ändern.
Als Katherine die Eingangshalle betrat, ließ der Wachmann an der Rezeption hastig sein Radio verschwinden und zog sich die Ohrstöpsel heraus. »Miss Solomon!« Er lächelte breit.
»Wie steht's bei den Redskins?«
Er wurde rot und machte ein verlegenes Gesicht. »Da läuft noch das Vorprogramm.«
Katherine lächelte. »Ich werde es keinem verraten.« Sie ging zum Metalldetektor und leerte ihre Taschen. Als sie ihre goldene Cartier vom Handgelenk streifte, überkam sie wie jedes Mal ein Anflug von Traurigkeit. Katherine hatte diese Uhr zum achtzehnten Geburtstag von ihrer Mutter geschenkt bekommen. Fast zehn Jahre war es jetzt her, seit Isabel Solomon einen
Weitere Kostenlose Bücher