Das Verlorene Symbol
erneut. »Sprechen Sie jetzt … oder sie sterben.«
Während das Wasser die letzten Fingerbreit des verbliebenen Luftraums emporstieg, legte Langdon den Kopf zurück, um den Mund oberhalb des Wasserspiegels zu halten. Warme Flüssigkeit rann ihm in die Augen, ließ seinen Blick verschwimmen. Er bäumte sich auf, presste die Lippen gegen das Plexiglasfenster.
Dann, in den letzten Sekunden, die ihm an Atemluft blieben, verriet Robert Langdon das Geheimnis der Entzifferung der Freimaurerischen Pyramide.
Als er zu Ende gesprochen hatte, stieg das Wasser an seinen Mund. Instinktiv holte Langdon ein letztes Mal Luft und presste die Lippen fest zusammen. Eine Sekunde später bedeckte die Flüssigkeit ihn zur Gänze, erreichte den Deckel seines Sarges und schwemmte über das Plexiglas.
Er hat es tatsächlich geschafft, dachte Mal'akh. Langdon hat das Rätsel der Pyramide gelöst.
Die Antwort war so einfach. So offensichtlich.
Unter dem Fenster starrte ihn aus der Tiefe das Gesicht von Robert Langdon an, mit verzweifelten, flehenden Augen.
Mal'akh schüttelte sanft den Kopf, und seine Lippen bildeten langsam die Worte: »Danke, Professor. Ruhen Sie in Frieden.«
KAPITEL 103
Als passionierter Schwimmer hatte Langdon sich manchmal gefragt, wie es wohl sein mochte, wenn man ertrank. Was sah man dabei? Was empfand man? Jetzt wusste er, dass er es am eigenen Leib erfahren würde. Zwar konnte er länger die Luft anhalten als die meisten anderen Menschen, doch er spürte bereits, wie sein Körper auf den Luftmangel reagierte. In seinem Blut mehrte sich das Kohlendioxid und bewirkte das instinktive Verlangen, nach Luft zu schnappen. Nicht atmen! Doch der Drang wuchs mit jedem Augenblick. Langdon wusste, dass er ziemlich bald den Punkt erreichen würde, wo er sich dem Reflex nicht mehr widersetzen konnte. Dann war es vorbei.
Drück den Deckel auf! Langdon verspürte den Impuls, sich mit aller Kraft dagegenzustemmen, wehrte sich aber dagegen, kostbaren Sauerstoff zu vergeuden. Er konnte nichts weiter tun, als durch das Wasser nach oben zu blicken und zu hoffen. Die Welt draußen war nur noch ein verschwommener Lichtfleck hinter einer Plexiglasscheibe. Er hatte bereits ein brennendes Gefühl in der Brust und wusste, jetzt setzte der Sauerstoffmangel ein, der bewirken würde, dass die Muskeln sich nicht mehr zusammenziehen konnten.
Plötzlich erschien ein schönes, geisterhaftes Gesicht vor der Scheibe und schaute zu ihm hinunter. Es war Katherine, deren weiche Züge durch den Flüssigkeitsschleier beinahe ätherisch wirkten. Ihre Blicke trafen sich, und einen Moment lang glaubte Langdon, er sei gerettet. Katherine! Dann hörte er ihre gedämpften Entsetzensschreie und begriff, dass sie von ihrem Entführer festgehalten wurde. Dieses tätowierte Ungeheuer zwang sie, mit anzusehen, was gleich passieren würde.
Katherine, es tut mir leid …
In diesem absonderlichen, versteckten Keller, unter Wasser eingeschlossen, versuchte Langdon sich dem Gedanken zu stellen, dass dies die letzten Augenblicke seines Lebens sein würden. Bald würde er nicht mehr existieren … alles, was ihn ausmachte … was er jemals gewesen war … und was er einmal hätte sein können … endete hier. Mit dem Absterben seines Gehirns würden sich alle Erinnerungen, die in der grauen Substanz gespeichert waren, mitsamt dem Wissen, das er erworben hatte, in einer Folge chemischer Reaktionen auflösen.
In diesem Moment erkannte Robert Langdon seine wahre Bedeutung innerhalb des Universums. So klein und einsam hatte er sich noch nie gefühlt. Beinahe dankbar sah er dem Unausweichlichen entgegen. Dem Reflex, Luft zu holen.
Er stand kurz bevor.
Seine Lunge stieß ihren verbrauchten Inhalt aus und zog sich zusammen, um begierig Luft zu holen. Dennoch hielt er einen letzten Moment stand. Seine letzte Sekunde. Dann – wie jemand, der die Hand nicht mehr länger über die Kerzenflamme halten kann – ergab er sich seinem Schicksal.
Der Reflex siegte über den Willen.
Seine Lippen öffneten sich.
Seine Lunge dehnte sich.
Die Flüssigkeit strömte hinein.
Der Schmerz in der Brust war schlimmer, als Langdon ihn sich je vorgestellt hätte. Die Flüssigkeit brannte in seiner Lunge, und der Schmerz schoss ihm augenblicklich bis in den Kopf. Er hatte das Gefühl, in einem Schraubstock zu stecken. Ihm dröhnten die Ohren; dennoch hörte er Katherine Solomon schreien.
Dann ein blendender Lichtblitz.
Dann völlige Schwärze.
Robert Langdon war nicht
Weitere Kostenlose Bücher