Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05
Axis?« fragte Rivkah, und ihre grauen
Augen umwölkten sich.
»Die Nachricht ist für die Zauberin bestimmt«, erklärte der Hauptmann und schüttelte die Nor ab.
»Ganz ruhig, Rivkah und Kassna«, beschwichtigte
Aschure die beiden, »wir werden sicher in Kürze mehr
wissen.« Damit drehte sie sich zu ihrem Onkel um:
»Isgriff, könnt Ihr Euch bitte um Eure Tochter kümmern.« Damit hakte sie sich bei Rivkah ein, und gemeinsam mit ihr und dem Hauptmann legte sie rasch das letzte
Stück bis zum Palast zurück.
Als sie in den königlichen Gemächern anlangte, beherrschte sie erst recht ein mulmiges Gefühl. Was
mochte während ihrer einwöchigen Seereise geschehen
sein? Hatte Axis trotz der Weigerung der Torwächterin
doch eine Möglichkeit gefunden, ins Reich der Toten zu
gelangen? Hatte er womöglich ein anderes Tor gefunden
und sie endgültig verlassen?
»Imibe«, wandte sie sich an ihre Zofe, als sie sich im
Vorraum befanden, »füttert bitte die Kinder und legt sie
hin. Sie bedürfen der Ruhe. Isgriff, Ihr bleibt bitte bei
uns. Und Ihr, Hesketh, ruft den Fernaufklärer herbei.«
Aschure hakte sich auch bei Kassna ein. »Jetzt begeben
wir uns zusammen in die Jadekammer und hören uns an,
was der Bote zu berichten hat.«
Als der Vogelmann dann eintrat, befürchtete Aschure
gleich eine Katastrophe. Seine Flügel waren zerfetzt und
von Blut gerötet. Auf seiner Kleidung zeigten sich
Flecken. Er wirkte sehr erschöpft, hielt sich aber
aufrecht, wie es dem Stolz seines Volkes entsprach, und
legte artig die Schwingen am Rücken zusammen, als er
sich vor der jungen Frau verbeugte.
»Zauberin.«
»Blauflügel«, rief Aschure, als sie den Ikarier erkannte, »welche Neuigkeiten bringt Ihr uns?«
»Ich komme aus dem Norden«, begann der Bote, und
unter seinen Zuhörern breitete sich Unruhe aus. »Leider
konnte ich einige Tage lang nicht weiterfliegen, weil ein
furchtbarer Sturm mich im Süden der Trübberge festhielt.
Deswegen ist meine Botschaft über eine Woche alt, und
ich vermag nicht zu sagen, was sich in der Zwischenzeit
getan hat.«
Blauflügels Blick fiel auf Rivkah, und er schien nicht
so recht zu wissen, ob er in ihrer Gegenwart weitersprechen durfte.
»Fahrt ruhig fort, Bote«, forderte Aschure ihn auf.
»Wir werden ja doch über kurz oder lang alle davon
erfahren … und ich habe schon so eine Ahnung, was Ihr
uns gleich enthüllen werdet.«
Der Ikarier nickte. Er berichtete nun von den Zerstörungen, welche die Feinde in Aldeni und vor allem in
Jervois angerichtet hatten. Rivkah und Kassna hielten
den Atem an, als sie von Jorges Tod hörten. Blauflügel
schilderte dann den Verlauf der Schlacht am Azle, und
jetzt erbleichte selbst Aschure; denn Wolfstern hatte ihr
wohlweislich verschwiegen, wie erbittert dort gerungen
worden war und welche Übermacht Axis’ Mannen gegen
sich gehabt hatten. Der Bote führte nun aus, wie der
Sternenmann es bewirkt habe, daß das Eis des zugefrorenen Stroms geborsten sei. Viele Kreaturen seien in den
aufschäumenden Fluten ertrunken, und die Hauptmacht
des Gegners habe danach am Nordufer des Azle festgesessen.
»Wir wissen jetzt auch«, betonte der Vogelmann, »wer
die Gegenseite anführt – der ehemalige Axtschwinger
und Ritter der Herrin Faraday, Timozel.«
Timozel? Aschure runzelte die Stirn, weil sie den
Namen zunächst nicht einordnen konnte … Aber das war
doch Embeths Sohn! »Also Timozel. Jetzt wissen wir
endlich, mit wem wir es zu tun haben. Fahrt bitte fort.«
»Wir alle jubelten, als das Eis brach und der Feind
nicht mehr weiterkam, glaubten wir doch, damit wenigstens für diesen Tag den Sieg errungen zu haben. Aber
wir hatten uns zu früh gefreut. Denn wie aus dem Nichts
tauchten plötzlich unzählige Greifen über uns auf, und
bald sah es so aus, als seien wir rettungslos verloren.«
Der Bote beschrieb nun die Schrecken beim Angriff
der Himmelsbestien. Er schonte die Zuhörer nicht.
Kassna schrie mehrmals leise und konnte sich nur unter
äußerster Anstrengung wieder fassen. Rivkah legte ihr
einen Arm um die Schulter, und ein Blick auf den Ikarier
belehrte sie, daß sie das Schrecklichste noch nicht zu
hören bekommen hatten.
Immer noch ergriffen schilderte Blauflügel jetzt, wie
der Krieger in seinem Bemühen, die Greifen zu vernichten, viel zuviel Sternenenergie auf sich herabgezogen
hatte. »Die Folgen für ihn selbst waren verheerend«,
sprach der Mann leise und schien nicht mehr weiterzukönnen.
»Bitte, erzählt
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