Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05
aber jetzt schien ja alles wieder
bestens zu sein. Außerdem hörte der Zerstörer nur noch
das, was ihm angenehm war.
»Seid Ihr Euch da auch ganz sicher?« fragte er nun
und sah Lieber Mann mit zusammengekniffenen Augen
an.
Der Dunkle nickte. »Vollkommen, mein Lieber. Nicht
auszudenken, was geschehen wäre, wenn der Jüngling
seinen Willen bekommen und den Feind angegriffen
hätte. Zweifellos hätte der Krieger dann ein neues
Smaragdfeuer in die Reihen der Skrälinge geschickt –
wie schon vor der Feste Gorken!«
Gorgrael erschauerte, als er sich dieser Katastrophe
erinnerte. »Werde ich denn nie wirklich die Gelegenheit
erhalten, ihn zu vernichten?«
»Ach, mein lieber Schüler«, entgegnete sein Lehrer.
»Das war nur ein kleiner Rückschlag, nicht mehr.«
»Ich bin diese ständigen kleinen Rückschläge gründlich leid«, murrte der Zerstörer.
»Ihr habt immer noch Eure Greifen, und die vermehren sich doch prächtig.«
»Ja, aber seht nur, was Axis mit den neunhundert
getan hat!«
»Richtig, doch vermag der Krieger auch mit siebentausend Himmelsbestien fertigzuwerden? Oder gar mit
siebzigtausend? Selbst die Macht eines Axis hat ihre
Grenzen. Ihr müßt nur etwas Geduld haben, Gorgrael,
dann wird die Prophezeiung sich schon erfüllen. Davon
abgesehen, heißt es am Ende nur er oder Ihr. Ganz
gleich, was Euer Heer seiner Armee zufügen kann, oder
seine Armee Eurem Heer, schließlich bleibt nur ein Weg
offen.«
»Der Zweikampf zwischen uns beiden«, murmelte der
Zerstörer. Er klang jetzt wesentlich ruhiger und dachte
nach. Nur einen Moment später hob Gorgrael wieder den
Kopf, weil ihm beim Grübeln über den Endkampf
Faraday eingefallen war. Und diese brachte ihm etwas
anderes ins Gedächtnis zurück: »Die Bäume!«
»Ach ja, richtig.« Lieber Mann trat an den Kamin und
kehrte seinem Schüler den Rücken zu. »Die Bäume …
Nun, sie wachsen und breiten sich aus.«
»Aber habt Ihr nicht gesagt, Artor würde sie aufhalten?« Mit jedem neuen Tag spürte der Zerstörer, wie der
Wald sich immer mehr ausdehnte. Und je stärker das
Bardenmeer wurde, desto schwächer wurde seine Gewalt
über den Winter. Noch war er ihm nicht entrissen, aber
Gorgrael hatte schon den Eissturm abbrechen müssen,
mit dem er Aldeni heimgesucht hatte. Und mittlerweile
fragte er sich, wie lange er noch das Land südlich von
Ichtar in den Klauen seines unnatürlichen Winters halten
konnte.
»Das ist alles nur die Schuld dieser Skräbolde!« wütete der Zerstörer. »Warum haben sie den Erdbaum bloß
nicht zerstört, als sich ihnen die Gelegenheit dazu bot?«
»Schnee von gestern, mein Lieber«, lächelte der
Dunkle und drehte sich dann zu ihm um. »Ihr solltet
lieber für die Zukunft planen. Timozel mag seine
Scharen am Gorkenpaß sammeln und neu ordnen, und
nicht einmal Axis könnte ihn dort hinaustreiben. Erst
recht nicht mit seiner geschlagenen Armee. Und erinnert
Euch nur, wieviel Verheerung der Krieger vor Zeiten
eben dort über Eure Geister brachte. Vom Gorkenpaß aus
kann der Jüngling Axis unverzüglich zu Euch führen.«
»Ja, ja!« freute sich Gorgrael. »In ganz Tencendor
leben nicht genug Menschen, um ihm eine Armee an die
Hand zu geben, die es mit meinen Scharen aufnehmen
könnte. Es sei denn … die Bäume.« Warum mußte er nur
immerzu an den Wald denken. Warum sorgte er sich um
den Krieger und um die Bäume?
Und dann Faraday. Dieses Geschöpf stellte ein Rätsel
dar, das jeden in den Wahnsinn trieb. Gorgrael mußte sie
unbedingt aufhalten und daran hindern, noch mehr
Schößlinge einzusetzen. Vielleicht ließ sich ihr Wald ja
noch zerstören. Aber dazu mußte er sie lebend in die
Hände bekommen. Schließlich stellte sie auch den
Schlüssel zu Axis’ Untergang dar.
»Artor wird sie aber doch nicht umbringen?« fragte er.
»Nein«, versicherte ihm sein Lehrer. »Der Gott mag
sie ruhig schwächen, aber vertraut ganz mir, denn ich
halte die Fäden in der Hand. Sie wird Artors Attacke
überleben, und dann bekommt Ihr sie und ihren Liebsten.«
»Gut.« Der Zerstörer atmete erleichtert auf.
Vorsichtig bewegten sie sich aus den Trübbergen hinaus:
eine lange Kolonne von frierenden, verwundeten und
mutlosen Soldaten. Über ihnen flogen die wenigen
zurückgebliebenen Staffeln der Luftarmada. Was die
Fernaufklärer zu melden hatten, erfreute Belial und
beunruhigte ihn zugleich.
Timozel führte demnach sein Heer unverdrossen
weiter nach Norden. Am Himmel zeigten sich keine
Greifen
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