Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05
einzige
gewesen, die davon gewußt hatte, wie sehr Aschure sich
nach ihrer Mutter sehnte. Darum freute sie sich jetzt um
so mehr, daß sie ihre Entdeckungen mit der Freundin
teilen konnte. Aschure erzählte von Niahs Brief und von
dem, was die Erste ihr gesagt hatte. Sie beschrieb ihr den
Tempel und das wunderbare Gitterwerk aus Jade der
Sternenkuppel – welche die Erste Priesterin ihr gezeigt
hatte –, aber sie schwieg über Wolfstern und seinen
Schwur, daß er Niah von Herzen geliebt habe und sie
wiedergeboren würde. Und sie berichtete Rivkah auch
nichts darüber, wie sie die ganze Nacht in Sternenströmers Armen gelegen hatte.
Diese fing irgendwann an zu weinen, und Aschure
nahm sie in die Arme. »Ich freue mich für Euch«,
murmelte sie dabei, »daß Ihr so viel über Eure Mutter
herausfinden konntet. Bewahrt den Brief stets wie einen
Schatz auf.«
Rivkah tupfte sich die Tränen fort und lehnte sich
zurück: »Und jetzt müßt Ihr mir alles über Eure Zwillinge erzählen. Verlief die Geburt wirklich so einfach, wie
Ihr eben angedeutet habt? Mir fiel dabei auf, wie Isgriff
Euch mehrfach einen merkwürdigen Blick zugeworfen
hat. Deswegen sagt mir jetzt, wie es sich in Wirklichkeit
abgespielt hat.«
Dieser Frau entgeht einfach nichts, dachte Aschure,
berichtete Rivkah dann aber gehorsam, wie schmerzhaft
und schwierig die Geburt tatsächlich verlaufen war. »Ich
war ehrlich froh, die beiden loszuwerden … Und ich
hasse mich dafür, so zu empfinden … Aber den zweien
schien es auch mehr als recht zu sein, meinen Bauch
verlassen zu haben. Und was die Namen angeht, so
haben nicht Axis oder ich sie ausgesucht, sondern
Großvater Sternenströmer.«
»Wie geht es ihm?« fragte seine ehemalige Gemahlin
und zog dabei leicht die Augenbrauen hoch.
Aschure lachte fröhlich. »Nun, wir beide sind schließlich doch noch richtig gute Freunde geworden. Alle
Spannungen, die einmal zwischen uns bestanden haben,
sind wie fortgeblasen. Ohne die Liebe und Freundschaft
Sternenströmers hätte ich das alles nicht überstehen
können.«
»Und …« bohrte Rivkah nach.
»Und was?« gab die junge Frau äußerst gereizt zurück.
»Wie steht es mit Euch, meine Liebe? Ihr kommt mir
ganz anders vor, richtig verändert. Allerdings«, fügte sie
lächelnd hinzu, »braust Ihr immer noch so rasch auf wie
die Aschure, die ich bislang kannte.«
Die junge Frau beruhigte sich so weit, daß sie wieder
lächeln konnte. »Ja, liebe Freundin, ich habe mich
tatsächlich gewandelt … und dabei eine ganze Menge
über mich erfahren. Aber … aber zuerst möchte ich mit
Axis darüber reden. Ich hoffe, das macht Euch nichts aus.
Denn das, was über mich gekommen ist, betrifft auch
ihn.«
»Nein, natürlich nicht, nur …«
Rivkahs Stimme erstarb, und Aschure sah sie besorgt
an. »Was ist denn? Stimmt etwas nicht?«
Rivkah schaute auf ihre Hände, die sie im Schoß
zusammengefaltet hatte. Dann holte sie tief Luft, hob den
Kopf und sah ihrer Schwiegertochter fest in die Augen:
»Aschure, ich bin im dritten Monat schwanger.«
Der jungen Frau lief es kalt den Rücken hinunter.
»Aber für eine Acharitin seid Ihr viel zu alt, um noch ein
Kind empfangen zu können und auszutragen.« Aschure
klang sehr angespannt.
Für eine Acharitin? wunderte sich Rivkah. Was für
eine merkwürdige Ausdrucksweise für jemanden, der
selbst zur Hälfte Mensch war. Wahrscheinlich hatte ihre
Freundin sich ihrer ikarischen Seite viel zu weit geöffnet,
um sich selbst noch als Acharitin zu sehen.
»Ja, das läßt sich nicht abstreiten«, entgegnete sie.
»Aber dieses Kind ist ein Geschenk.«
»Natürlich … äh, wie meint Ihr das?«
»Nachdem Faraday Euch geheilt und sich dann von
Euch und Axis verabschiedet hatte, zog sie mich auf den
Gang hinaus, um sich auch von mir zu verabschieden.
Aschure, sie und ich standen uns sehr nahe, auch wenn
wir uns nur kurz kannten. Wahrscheinlich verbindet uns,
daß wir beide einmal Herzogin von Ichtar gewesen sind –
und als solche hatten wir beide unsere Last zu tragen.
Außerdem war bei uns beiden ein ikarischer Zauberer die
Liebe unseres Lebens, was uns ebenfalls am Ende nur
Leid bescherte …«
»Und weiter?«
Aschure sah sie streng an, und Rivkah konnte ihr
daraus keinen Vorwurf machen. »Und Faraday gab mir
ein Abschiedsgeschenk. Es komme geradewegs von der
Mutter, versicherte sie mir. Damit küßte sie mich, und als
wir uns wieder getrennt hatten, fühlte ich mich gesund
wie nie zuvor
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