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Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05

Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05

Titel: Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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länger ertrug. »Freund, was bedeutet dieses
Getöse?«
    Schweigend tauchte der Fremde die Ruder noch ein
paar Mal ein, bevor er antwortete. Der Jüngling hatte
keine Antwort mehr erwartet, und als der Dunkle
schließlich sprach, schrak er zusammen.
    »Das Geräusch, das Ihr hört, stammt von dem großen
Gletscher vom Krallenturm, der seine Eisberge in den
Ozean kalbt.«
    Timozel versuchte, sich die wenigen unvollständigen
Landkarten der Nördlichen Ödlande ins Gedächtnis zu
rufen, die er kannte. »Wir befinden uns auf dem Iskruel
Ozean?«
    »Aber sicher, mein lieber Junge, aber sicher. Schaut
nur, wie die Eisbären herumtollen, und im Süden,
jenseits des Eises, könnt Ihr die Eisbärküste erkennen.«
    Timozel drehte sich in die Richtung, in die Freund den
Kopf geneigt hatte. Von dem ihnen am nächsten gelegenen Berg aus beobachtete sie eine stämmige Eisbärin. Ihr
Fell hatte sich unter dem Einfluß der Jahre und der
Elemente gelblich verfärbt. Eines ihrer Ohren mochte
einem Streit mit einem Artgenossen zum Opfer gefallen
sein, vielleicht wegen einer Robbe. Das fehlende Stück
verlieh dem Tier einen eigenartigen Reiz, und die
schwarzen Augen der Bärin blickten beunruhigend
allwissend drein.
    »Wir sind fast da«, bemerkte der Fremde, während
sein Blick für einen kurzen Moment dem des Tieres
begegnete. »Noch ein oder zwei Stunden, vielleicht
mehr, vielleicht weniger. Gorgrael ist nahe.«
    Timozel erschauderte und vergaß die Bärin. »Gorgrael
ist nahe«, flüsterte er. »Gorgrael ist nahe.«
Er hoffte, daß der Zerstörer so sein würde, wie ihn
sein neuer Freund beschrieben hatte. Er wünschte sich
auch, daß sich der Zerstörer als der Große Fürst aus
seinen Visionen erweisen würde. Er betete darum, in
Gorgrael jenen Retter zu finden, der die Unaussprechlichen von Achars Feldern vertrieb und Faraday vor dem
Schicksal errettete, das ihr in Axis’ Händen drohte.
Sollten sich diese Hoffnungen nicht erfüllen, dann würde
er den Verstand verlieren, davon war Timozel zutiefst
überzeugt.
    Gorgrael war darauf erpicht, einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen. Abgesehen von Lieber Mann war
Timozel Gorgraels erster wirklicher Besucher, und der
Erzfeind aus der Prophezeiung des Zerstörers hatte
beschlossen, daß Timozel von seinem neuen Herrn so
beeindruckt sein sollte, daß er gern in seine Dienste trat.
    Er stand vor seinem – zumindest für dieses eine Mal –
hell lodernden Feuer, und hatte jede Oberfläche und
jeden rechten Winkel seiner abartigen Möbel gewachst
und poliert. Das Kristall – oder was davon übriggeblieben war –, das Gorgrael sich aus der aufgegebenen Feste
Gorken besorgt hatte, stand auf der einzigen geraden
Oberfläche einer Anrichte. Wein funkelte verlockend in
einer Karaffe. Alle Skrälinge, die sich in Gorgraels
Eisfestung aufhielten, hatte er in entlegene Räume
verbannt, und in einem Vorzimmer wartete der unruhige
Skräfurcht als Vertreter der Skräbolde auf das Treffen
mit seinem neuen Befehlshaber.
    Der Zerstörer krümmte die klauenbewehrten Hände,
während er sich vorstellte, wie Lieber Mann sein Boot in
Richtung der Eisfeste steuerte. Von Timozel hing soviel
ab, und der Dunkle hatte Gorgrael erst jüngst davon zu
überzeugen vermocht, daß behutsame Überredungskunst
und verführerische Lügen geeigneter seien, die rückhaltlose Unterstützung des Jünglings zu erlangen, als der
unerbittliche Schrecken, mit dem Gorgrael die Träume
des jungen Mannes heimgesucht hatte.
    »Schließlich«, so hatte sein Freund und Mentor erklärt, »ist Timozel ein gescheiter Bursche. Er verdient
Besseres als das, was Ihr den Skräbolden zuteil werden
laßt. Etwas viel Besseres. Abgesehen davon dient er
Euch wesentlich zuverlässiger, wenn er Euch aus vollem
Herzen dient und nicht unter Zwang handelt.«
    Selbstverständlich, überlegte Gorgrael, würde er
Timozel ab und zu an die Bande erinnern müssen, die ihn
an seinen neuen Herrn fesselten, und dafür bedurfte es
eines gewissen Schmerzes. Nur eines kleinen bißchens.
    Freund ruderte eine Weile zügig nach Nordosten.
Plötzlich holte er die Ruder ein und nickte in Richtung
einer Stelle, die hinter Timozel lag.
»Von hier aus gehen wir zu Fuß«, erklärte der Fremde.
    Der Jüngling wandte sich um und starrte auf den
Anblick, der sich ihm da bot. Das kleine Boot trieb auf
einen mit Eis bedeckten Strand zu; er konnte runde
Kieselsteine und kleine Felsblöcke unter einer dünnen,

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