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Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05

Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05

Titel: Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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Oberwelt auf dem Gesicht
zu spüren, den Duft von Blumen und den Geruch
feuchter Blätter, die den Boden des Waldes bedeckten, zu
riechen und auf den lebendigen Wassern des Nordra
dahinzusegeln, der sich so sehr von ihren stillen Wasserwegen unterschied.
    In solchen Nächten sangen und tanzten Hunderte von
Charoniten, während sie den Brunnen emporstiegen, der
zur Oberwelt führte. Die Höhlenbewohner liebten den
Tanz, und die in die Wände des Brunnens geschnitzten
Figuren beflügelten sie zu immer ausgelasseneren
Bewegungen.
    Sobald sie in der Höhle angelangt waren, hoben sie die
flachen Boote aus den Gestellen, auf denen sie untergebracht waren, und ließen sie unter Gelächter und Gesang
in das Wasser der kleinen Bucht gleiten, die zu der Stelle
führte, wo der Nordra durch Awarinheim floß. Das
Awarinheim von vor dreitausend Jahren war ein viel
größeres und verwunscheneres Gebiet als der Wald, der
sich zur Zeit der Prophezeiung jenseits der alten Landesgrenze erstreckte; zu jener Zeit hatten die Äxte des
Seneschalls ihnen noch nichts anhaben können.
    Fünf Charoniten, die hinter den anderen zurückgeblieben waren, bemächtigten sich in einer dieser besonderen
Nächte des letzten und kleinsten Bootes und ließen es
singend zu Wasser. Sie sprangen hinein, und nachdem sie
ihren Zauber gewoben hatten, glitt das Boot mühelos
durch die Bucht und erreichte schließlich den großen
Strom. Die fünf genossen den Hauch der sanften
Nachtluft und die unendliche Weite des Himmels über
sich, und ihr Gesang nahm zu an Ehrfurcht und auch
Jubel, je weiter sie den Nordra hinunterfuhren.
    Von Zeit zu Zeit spähte ein dunkles Gesicht aus dem
Wald, der den Fluß säumte, zu ihnen hinüber – die
Awaren krochen, von den Klängen solch ungewohnter
Fröhlichkeit aus dem Schlummer gerissen, aus ihren
Schlaffellen und beobachteten ehrfürchtig, wie die
Höhlenbewohner vorüberglitten.
    Den Gewohnheiten der Charoniten entsprechend,
vertäuten die fünf schließlich ihr Boot an einer gesprenkelten Weide, deren vor Alter schwere Äste tief in den
Strom eintauchten. Dann traten sie ans Ufer, da sie
vorhatten, über die Wege und Lichtungen von Awarinheim zu tanzen.
    Aber am Flußufer saß ein seltsamer Mann – er wies
die Merkmale eines Ikariers auf, doch fehlten ihm die
Flügel – und verzog trübselig das Gesicht.
    Die fünf blieben stehen und fragten ihn, was ihn denn
bedrücke, denn obwohl die Charoniten lieber Abstand zu
den anderen Völkern hielten, waren sie kein unfreundliches Volk, und der Fremde bedurfte offensichtlich ihres
Zuspruchs.
    Der Mann seufzte und fing dann an, langsam zu erzählen. Und was er ihnen zu berichten hatte, vertrieb ihnen
die Freude aus den Gesichtern. Dieser höchst sonderbare
Fremde erzählte von einer Zeit in der Zukunft.
    »Auf Tencendor wird einst das furchtbare Erbe eines
tausend Jahre alten Hasses lasten, wenn schließlich der
Zerstörer auftritt, dessen einzige Absicht darin besteht,
das, was dann von Tencendor noch übrig ist, endgültig zu
zermalmen. Dieser Zerstörer besteht nur aus Haß, und
seine liebste Beschäftigung besteht darin, diesem
Gemütszustand freien Lauf zu lassen und zu zerstören.«
    Die fünf, denen jeder Gedanke an Tanz und Gesang
vergangen war, fragten den Mann, woher er wohl von
diesen furchtbaren Dingen wisse.
    »Die Bürde der Prophezeiung lastet schwer auf meiner
Seele und überschattet meine Tage und Nächte«,
antwortete er und erhob sich. »Bald werde ich mich in
die Einsamkeit zurückziehen und das, was ich gesehen
habe, in den Worten der Macht und Zauberei niederlegen.«
    Ergriffen starrten die fünf den Propheten an, und
Ehrfurcht erfüllte sie ob der Verantwortung, die er auf
seine Schultern geladen hatte.
    Der Fremde seufzte noch einmal, und die fünf konnten
sehen, wie er gegen Sorge und Schmerz ankämpfte. Sie
empfanden die größte Hochachtung vor ihm, beneideten
ihn jedoch nicht, denn von allen Völkern verstanden die
Charoniten am besten, welche Macht und welche
Zwänge der Gabe der Weissagung innewohnten.
    »Hört mir zu«, sagte er nun und begann, die Prophezeiung des Zerstörers vorzutragen.
Die fünf stöhnten, als sie seine Worte hörten, lehnten
sich aneinander an und weinten. Ihnen waren ein Leben
und Gedanken voller Innerlichkeit, Schönheit und
Geheimnisse zutiefst vertraut, aber die Worte des
Propheten zerstörten den Frieden und die Harmonie ihres
Geistes. Wie sollten sie ihr bislang sorgloses

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