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Das Vermächtnis

Das Vermächtnis

Titel: Das Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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behindern. Wie soll ich mit diesem Gewicht an den Füßen vernünftig steuern, vom Beuteanflug ganz zu schweigen!“
    „Erstens trägst du die Kampfkrallen nicht an den Schwanzfedern. Das Steuern dürfte also kein Problem sein. Du trägst sie auch nicht an den Flügeln. Darum wüsste ich nicht, was dich am Beuteanflug hindern sollte. Du trägst sie an den Zehen. Sie könnten dir sogar behilflich sein, die Beute zu schlagen.“
    „Darum geht es nicht. Es geht um das Gleichgewicht.“
    Verflixt noch mal! Theo konnte es einfach nicht ertragen, dass ihm jemand etwas vorschreiben wollte.
    „Es geht darum, dass du ständig widersprechen musst! Aber meinetwegen gebe ich dir ein paar Übungsstunden mit den Kampfkrallen, damit du in der Lage bist …“
    „Damit ich in der Lage bin, jemanden zu töten? Zum Beispiel dich ?“
    Das ging jetzt aber zu weit! „Willst du wohl endlich den Schnabel halten und mir zuhören? Ich bin dein Lehrherr! Ich hätte dich schon längst rausschmeißen sollen.“
    Theo machte ein betroffenes Gesicht. „Ich höre ja zu.“
    „Ach, auf einmal? Lässt du mich nun ausnahmsweise mal ausreden? Wie gütig! Was ich eben sagen wollte, war, dass du üben sollst, mit den Kampfkrallen an den Füßen zu fliegen.“
    „Ach so.“
    „Ich habe die Sehnen von dem Schneehasen aufgehoben, den wir zum letzten Tagmahl hatten. Damit können wir die Kampfkrallen an deinen Füßen festbinden.“
    „Das ist eine gute Idee“, erwiderte Theo.
    Ich traute meinen Ohren nicht. Ein Lob von diesem altklugen Grünschnabel?!
    „ So“, sagte ich, als ich den letzten Knoten festzog. „Bist du so weit?“
    „Glaub schon.“
    „Na dann mal los! Trau dich, es macht dir bestimmt Spaß.“
    „Spaß … von wegen!“, murrte Theo halblaut.
    „Das habe ich jetzt überhört. Am besten fliegst du von dem Felsen über der Schmiedeesse ab. Die Hitze wird dich tragen.“
    Kurz darauf war Theo in der Luft.
    „Gut gemacht!“, rief ich zu ihm hoch.
    „Die Dinger sind schwer wie Steine! Wenn ich in kalte Luft komme, ist es aus mit meinem Gleichgewicht!“
    Theos Redseligkeit hatte jedenfalls nicht gelitten. Er quasselte ununterbrochen, während er über der Esse kreiste. Warum machte ich mir eigentlich Sorgen um ihn? Wenn er unterwegs einem Dämon begegnete, würde er ihn einfach totreden.
    Aber ich musste ihn aus der warmen Luft herauslocken. Ich flog zu ihm hoch. „Komm, wir versuchen’s mal im Kalten.“
    „Ich weiß nicht … Die Kampfkrallen ziehen mich bestimmt runter …“
    Ich ließ nicht locker. „Nur ein kleines Stück.“
    „Na schön“, sagte er jämmerlich. „Hilfeee!“ Er geriet ins Trudeln.
    „Ganz ruhig!“ Ich leistete ihm Beistand, indem ich unter ihn glitt und kräftig mit den Flügeln schlug. Das gab ihm wieder Auftrieb. „Na siehst du. Es geht doch schon besser.“
    Es ging nicht nur besser, es ging ausgezeichnet. Theo war ein hervorragender Flieger, das war mir schon öfter aufgefallen. Jetzt war sein Flug trotz des zusätzlichen Gewichts an den Füßen gleichmäßig und ausbalanciert. Aber noch flog er nur geradeaus.
    „Ich versuch mal eine Wende“, verkündete er.
    Jetzt hat ihn der Ehrgeiz gepackt! Er winkelte die Steuerfedern ab und vollführte eine elegante Wende.
    Als die Übungsstunde zu Ende war, war er sichtlich stolz auf sich. „Du brauchst keine weiteren Stunden“, sagte ich. „Du bist ein Naturtalent.“
    „Ein Naturtalent worin? Im Töten?“
    „Im Fliegen natürlich!“
    „Im Fliegen sind wir ja wohl alle Naturtalente.“
    Ich tschurrte. „Ich geb’s auf! Du hast gewonnen. Und nun flieg los! Du kannst meinen Glutbehälter mitnehmen. Bring so viel Erz mit, wie du tragen kannst.“ Ich machte eine Pause. „Glauxglück!“, setzte ich hinzu.
    „Danke. Danke für alles. Und … weißt du was?“
    „Was denn?“
    „Du bist ein Naturtalent als Lehrer.“
    Ich muss gestehen, ich zerdrückte heimlich eine Rührungsträne.
    Als er davonflog, sah ich ihm nach, bis er über der Küste in einer Nebelbank verschwand. Ich konnte Nebel noch nie leiden. Welche Gefahren mochten in den undurchdringlichen weißen Schwaden lauern?

„ Nicht kippeln … und jetzt wenden … Schwanzfedern stärker abwinkeln …“
    Wenn hier jemand der geborene Lehrer war, dann ja wohl Svenka! Stell dir eine Eisbärin vor, lieber Eulenleser, die einem Vogel das Fliegen beibringt. Noch dazu einem Vogel, dem ein halber Flügel fehlt.
    Es war ein geradezu unheimlicher Zufall, dass ich Theo zur

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