Das Vermächtnis
wieder zum Brüten zurück.
Ich selbst verstehe wahrhaftig viel von Glut und Feuer, Theo aber besaß ein unglaubliches Gespür für metallhaltiges Gestein. Er teilte Steine in die verschiedensten Sorten ein. Fengo und ich hatten bei unseren Experimenten nur zwischen „hartem“ und „weichem“ Stein unterschieden. Theo wusste instinktiv, welche Steine so hart waren, dass man mit ihnen andere Steine spalten konnte. Er wusste sogar im Voraus, wo die bearbeiteten Steine aufbrechen würden.
Am meisten interessierten ihn das rötliche Gestein, das typisch für die Insel war. Es war vor allem in der „Witterungsschicht“ zu finden. So bezeichnete Theo die Erdschicht dicht unter der Oberfläche. Um aus dem rötlichen Gestein Metall zu gewinnen, musste das Feuer besonders heiß sein. Ich bedauerte oft, dass ich nicht mehr Rumser aus den Hinterlanden mitgenommen hatte.
Eines Tages hämmerte Theo wieder auf einem Metallklumpen herum, als ich plötzlich eine Idee hatte. Vor meinem geistigen Auge erschien das Bild eines Eulenfußes.
„Du willst gerade einen Greifer schmieden, oder?“, fragte ich.
„Stimmt.“
„Kannst du auch zwei Greifer schmieden, die oben miteinander verbunden sind?“
„Kein Problem.“
„Greifer“ nannte Theo ein selbst erfundenes Werkzeug, mit dem er die Metallstücke aus dem Feuer holte und anschließend zum Abkühlen in den Schnee hielt. Jetzt tauchte er den Doppelgreifer kurz in den Schnee und hielt ihn dann hoch. „Nicht schlecht, was?“
„Großartig. Du bist ein Genie!“
Theos Augen leuchteten und ein freudiger Schauer überlief sein Gefieder. Ich fragte mich oft, wie er wohl gelebt hatte, bevor er zu mir gekommen war. Er war so klug und geschickt, aber er schien kein Lob gewohnt zu sein. Doch abgesehen von dem, was er mir von seinem Onkel, dem Lehrer, erzählt hatte, sprach Theo nie über seine Familie.
„Jetzt habe ich eine echte Herausforderung für dich“, sagte ich.
„Nämlich?“ Seine Augen strahlten so hell wie das Feuer.
„Ich möchte, dass du die Greifer an den spitzen Enden krumm biegst.“
Es dauerte eine Weile, aber dann gelang es ihm. Er trat einen Schritt zurück und musterte das Ergebnis.
„Sieht irgendwie aus wie Krallen – aber nicht wie meine und deine, sondern eher wie die von einem Eisbären.“
„Ganz recht, Theo. Du hast soeben die ersten Kampfkrallen geschmiedet.“
„Die ersten was ?“ Er machte ein bestürztes Gesicht, aber in meiner Begeisterung achtete ich nicht darauf. „Wenn du noch so einen Doppelgreifer schmiedest, hast du ein komplettes Paar“, sagte ich.
„Dann hast du ein komplettes Paar!“, erwiderte er energisch. „Hast du vergessen, dass ich strikt gegen Kämpfen und Krieg bin?“
„Du sollst ja gar nicht kämpfen, Theo“, sagte ich beschwichtigend. „Aber du weißt doch, dass die Hägsdämonen immer weiter vordringen. Fürst Arrin und Penryck haben sich verbündet und sind zu allem fähig.“
„Fürst Arrin und Penryck?“ Theo wirkte überrascht. „Meinst du den Sklardrog?“
„Ja, ich meine den Himmelsdrachen. Er und seine Dämonen haben sich Fürst Arrins Heer angeschlossen. Noch einmal: Ich fordere dich nicht auf, in die Schlacht zu ziehen. Ich bitte dich nur darum, Waffen anzufertigen.“
„Von wegen ‚nur ‘ ! Was macht es für einen Unterschied, ob ich selbst kämpfe oder anderen Eulen die Mittel liefere, ihresgleichen umzubringen?“
Ich hätte ihm am liebsten den Hals umgedreht. Wie konnte man nur so störrisch sein! Aber ich schloss die Augen und atmete tief durch. Wie konnte ich ihn bloß dazu bringen, seine Meinung zu ändern? Ich hatte eine Eingebung. Ich würde ihm erzählen, was es mit dem Ei auf sich hatte.
„Ich will dir etwas anvertrauen, das ich eigentlich unter allen Umständen für mich behalten wollte.“ Theo wandte sich mir wieder zu. Seine Wissbegier kannte keine Grenzen.
„Das Ei dort oben …“, ich deutete mit dem Schnabel auf die Baumhöhle, „… das ist kein Ei wie alle anderen. Es ist ein ganz besonderes Ei.“
„Ach ja?“
Wusste er mehr, als er zugab? „Es ist das Ei unseres geliebten Königs H’rath, der in der großen Schlacht von H’rathmagyrr gefallen ist, und seiner Frau, Königin Siv.“
Auf Theos Gesicht malte sich echtes Erstaunen.
„Komm mit, dann kannst du einen Blick darauf werfen.“
„Darf ich?“ Er traute sich kaum, mir zu folgen. Schließlich hatte ich ihm streng verboten, auch nur in die Nähe des Schneddenfyrrs zu kommen.
„Tritt
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