Das Vermaechtnis
alles erzählte, redete er, als sei eine ganze Bande Räuber hinter ihm her. Sehr gehetzt. Der arme Mann, er ist noch so jung und ist voller Misstrauen und Argwohn.
Ich sagte ihm, dass ich ihn sehr gut verstünde, allein meiner eigenen Geschichte wegen. Ich gab ihm den Rat, trotz seines Unglücks nicht zu verzagen und die Augen nicht zu verschließen vor Menschen, die guten Herzens sind. Und ich riet ihm noch, gegen die beiden Priester auszusagen, die den Schadenszauber auf seine Frau gelegt hatten und auch beim Omenlesen falsch ausgesagt hatten. Diese gilt es noch zu strafen, er hat genug Zeugen. Gegen solche Menschen hilft das Gesetz ganz klar und sofort. Dann ist er frei in dieser Sache und kann sein Leben von neuem lernen zu leben.
Dass ich es nicht vergesse, Ushlaran sagte auch noch, du könntest gern die nächsten drei Tage auf seinem, er meinte, deinem Platz an der Mauer stehen, wenn du noch magst. Danach wird hier ja schon wieder abgebaut und wir ziehen um auf unseren gewohnten Platz.
Siehst du, nur weil er der Sohn eines der bekanntesten und größten Handelshäuser ist, heißt das nicht, dass man nicht mit ihm reden kann.“
„Ja, du hast Recht. Ich bedauere meinen voreiligen Siegel, den ich ihm aufdrückte. Zu schnell war ich in dem Gedanken, es könne nur eine Strafe der Götter sein. Man kann nicht den ganzen langen Tag mit einem Beschwörungspriester die Zeichen abfragen. Gar zu oft bin ich mit mir selbst beschäftigt und kann vor lauter Zeichen um mich herum gar nichts mehr richtig wahrnehmen. Da vergisst einer schnell, dass ein jeder von uns seine Last mit sich trägt, und zudem auch noch die Zeichen der Götter beachten muss“, versuchte er, sich ein wenig zu rechtfertigen.
„Das richtige Wahrnehmen haben wir, so glaube ich, wohl verlernt, denn wir sind zu sehr in unserer Angst verstrickt, einem Dämon, der schwer zu fassen ist. Wenn er sich einmal festgesetzt hat, dann beherrscht er einem, und das Leben und das Verhalten wird von ihm allein bestimmt.“
„Es ist, wie bei einem Hund, der sich in den Schwanz beißt und dabei immer im Kreis läuft und sich dabei immer schneller dreht. Aus Angst macht man vieles falsch, dann kommt die Strafe prompt. Das bestätigt einem in der Angst. Der Dämon frisst sich tiefer und tiefer in einem herein. Er öffnet die Tür für alle möglichen anderen Dämonen von Krankheit und Unglück.
Die Dämonen sind nun mal die Geister, die das Schicksal von uns Menschen beeinflussen. Wenn ich so recht überlege, dann war der Tritt des Kamels heute Morgen vielleicht gar nicht, weil ich erst keine Lust hatte, das Enûma elîsch zu erzählen – vielleicht war die Ursache, dass ich Ushlaran Unrecht tat mit meiner Wut auf ihn. Zudem hatte ich es nicht geschafft, ihn gleich direkt daraufhin anzusprechen. Elieanor-Adda-Guppi kann ja mal für mich das Ölorakel befragen… “
„Es ist eine große Kunst, sich frei zu machen von allen möglichen Gedanken und einfach nur demütig nach den Regeln der Götter zu leben. Besonders schwierig wird es, wenn man sich seinem Schicksal, was der Wille der Götter ist, widersetzt, nur weil man unzufrieden ist. Alles wirkt leichter, wenn man es einfach annimmt und wird zu einem Problem, zu einem Dämon, wenn man es nicht akzeptiert.“
„Ich beichte fast täglich meinem persönlichen Gott all meine möglichen Vergehen. Ich klage über mich und bitte um Verzeihung, damit dieser dann in der größeren Versammlung der Götter Vergebung erwirken kann. Ich glaube, so einiges habe ich dadurch abwenden können, doch wehe, wenn man auch nur eine Sache vergisst!
Schlimm ist natürlich, wenn man nach Zeichen Ausschau hält und nichts findet, wenn man ein Bittgebet nach dem anderen spricht und man das Gefühl hat, von niemandem erhört zu werden. Wenn man zu den Bittgebeten dann noch alle bekannten Menschen aufzählt, bis hin zu den Totengeistern, die sich jemals erfolgreich Gehör vor dem Gott verschafft hatten. Doch wenn selbst diese Aufzählung und das Anflehen der überragenden Größe des Gottes nichts hilft, dann kommt Panik auf.
Wenn man Rat sucht, doch die Götter den Kontakt abgebrochen zu haben scheinen. Das ist wie ein Leben in der Dunkelheit auf Erden, als würde man im Wasser stehen, der Boden unter einem würde plötzlich verschwinden und man kann nicht schwimmen. Für uns Babylonier ist das fast schlimmer als der Tod, wo dann gar nichts mehr ist.“
„Guter Tanobakt ! Nun bist du schon so alt geworden, da musst du doch
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